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Das geraubte Paradies

Das geraubte Paradies

Titel: Das geraubte Paradies
Autoren: Bernd Perplies
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schrie er und hämmerte mit der Faust gegen die Blechverkleidung. »Es nähert sich jemand über die Straße! Schnell! Mustard!« Regen prasselte ihm auf den Kopf, und über ihm grollte der Donner.
    Von innen wurde die Laderaumtür entriegelt. Quietschend sprang sie auf, und der braun gebrannte Karawanenführer tauchte mit einer Laterne in der Hand in der Öffnung auf. »Was ist los, Estarto?«, fragte er auf Arcadisch. Mustard sprach mindestens vier Sprachen fließend, zu Jonans Glück auch seine eigene.
    »Ich habe Lichter auf der Handelsstraße gesehen, Mustard. Sie kommen rasch näher.«
    Alarmiert blickte Mustard über Jonan hinweg in Richtung der Straße, obwohl er die Näherkommenden von seiner Position aus gar nicht sehen konnte. »Wer ist es? Eine Motorradbande?«
    »Kann ich nicht sagen«, erwiderte Jonan kopfschüttelnd. »Die Sicht ist zu schlecht.«
    »Verdammt«, knurrte Mustard. Er verzog das dunkle Gesicht. »Seyfried?«, rief er über die Schulter in den Wagen hinein. »Wirf mir das Gewehr rüber. Und lauf von Kutsche zu Kutsche. Die anderen sollen sich bereithalten, falls es Ärger gibt.«
    Klatschend landete das schlanke Repetiergewehr in Mustards Pranke. Dann sprang der Karawanenführer aus dem Laderaum zu Jonan in den Regen. »Schauen wir uns das mal an.«
    »Was ist los?«, vernahm Jonan eine weibliche Stimme hinter seinem Rücken. Als er sich umdrehte, sah er Carya, die aus der Plane der Kutsche herausschaute, in der Jonan, Pitlit und sie schliefen.
    »Wir bekommen Besuch«, informierte Jonan sie hastig.
    »Besuch oder Ärger?«, mischte sich Pitlit ein, der neben Carya den Kopf aus der Kutsche steckte.
    »Weiß ich nicht«, wehrte Jonan ab. »Bleibt im Wagen. Nur zur Sicherheit.«
    »Vergiss es.« Der Straßenjunge zog die Plane auseinander und begann, nach draußen zu klettern.
    »Pitlit, ich …«, setzte Jonan an.
    »Estarto, kommen Sie«, unterbrach Mustard ihn barsch. »Wir haben keine Zeit.«
    Seufzend nickte Jonan. Der Francianer hatte recht.
    Seite an Seite rannten sie durch den Regen zu der Stelle, wo der Parkplatz auf die Handelsstraße hinausführte. Pitlit folgte ihnen. Hinter ihnen vernahm Jonan die volltönende Stimme des bärtigen Hünen Seyfried, der den Rest des Lagers alarmierte.
    Als sie zwischen den Büschen am Rand der Einfahrt in Deckung gingen und auf die Handelsstraße hinausspähten, waren die Lichter bereits deutlich näher herangerückt. Dazu hatte sich ein dunkles Brummen, wie von starken Motoren, gesellt. Da zumindest die vorderen Lichtquellen sehr dicht und in gleichmäßigem Abstand beisammenlagen, verabschiedete sich Jonan von der Theorie, es könne sich bei den Näherkommenden um Motorradfahrer handeln. Scheinwerfer dieser Art deuteten auf Lastwagen hin, denen nicht unähnlich, die zu ihrer eigenen Karawane gehörten –, wenngleich diese längst nicht mehr durch Treibstoff, sondern mittels Pferdekraft angetrieben wurden.
    »Drei oder vier Fahrzeuge«, stellte Mustard fest. In seiner Stimme schwang deutliche Anspannung mit. Er prustete und wischte sich den Regen aus den Augen. Dann hob er sein Gewehr. »Wenn das eine Bande ist, hat sie verdammt gute Ausrüstung.«
    »Sollten wir nicht alle zusammenrufen?«, fragte Pitlit nervös.
    »Die anderen sind bereit, keine Sorge«, beruhigte ihn der Karawanenführer. »Das wäre nicht die erste Bande, die uns zu überfallen versucht. Erfolglos, wohlgemerkt.«
    Das Brummen wurde lauter, und die Lichter waren immer klarer zu erkennen. Jonan hob sein Gewehr, stellte die Restlichtverstärkeroptik auf null und blickte durch das Zielfernrohr. Drei klobige schwarze Schatten rasten die Handelsstraße entlang, und das in einer Geschwindigkeit, die bei diesem Wetter und beim Zustand der schon seit Jahrzehnten nicht mehr reparierten Straße nur als leichtsinnig bezeichnet werden konnte. Aber offenbar beherrschten die Fahrer der Gefährte ihren Job, oder die Notwendigkeit trieb den kleinen Konvoi erbarmungslos zur Eile.
    »Ich glaube nicht, dass das eine Bande ist«, murmelte Jonan, das Auge nach wie vor ans Okular des Zielfernrohrs gepresst.
    »Sondern?«, fragte Pitlit.
    Jonan regelte die Restlichtverstärkung ein paar Grad nach oben, und nun erkannte er auch, was er zuvor nur erahnt hatte. Auf dem Dach des ersten Motorwagens, eines bulligen Fahrzeugs mit großen Reifen, saß ein kreisförmiger Wulst, aus dem der Lauf eines Maschinengewehrs ragte. Er kannte diese Bauweise. »Soldaten aus Château Lune«, sagte er und blickte zu
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