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Das geraubte Paradies

Das geraubte Paradies

Titel: Das geraubte Paradies
Autoren: Bernd Perplies
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mehr als ein Säckchen Silber verdient.«
    »Ich danke Euch, Majestät«, antwortete Carya überwältigt. »Ich werde daran denken.«
    Der Mondkaiser neigte huldvoll den Kopf. »Dann bleibt mir nur, dir rasche Genesung zu wünschen. Und zu hoffen, dass sich unsere Wege irgendwann erneut kreuzen werden.«
    »Danke. Und Euch und auch allen anderen – Paladin Alecander und so – wünsche ich viel Erfolg dabei, das Erbe der Erdenwacht anzutreten. Es gibt sicher viel zu tun.«
    »Ja, das ist wahr.«
    Mit einem weiteren Nicken wandte sich der Kaiser ab und ging gemessenen Schrittes auf die Tür zu. Er hatte die Klinke bereits in der Hand, als Carya es doch wagte, ihn in einer Sache anzusprechen, die sie schon seit Wochen beschäftigte. »Eure Majestät?«
    Er wandte sich erneut zu ihr um. »Ja?«
    »Darf ich Euch eine persönliche Frage stellen?«
    Der Mondkaiser neigte den Kopf. »Versuch es.«
    Carya blinzelte und holte tief Luft. »Seid Ihr … seid Ihr ein Invitro? So wie Enzo und Luceno, die beiden Soldaten, die mit Jonan aus der Invitro-Enklave kamen und wie Brüder aussehen, obwohl sie keine sind?«
    Einen Moment lang schwieg der Kaiser. Carya befürchtete schon, zu weit gegangen zu sein. Doch dann sagte er: »Ich hoffe, dass es bald keine Rolle mehr spielen wird, ob jemand ein Invitro ist oder nicht. Dafür habe ich jedenfalls mein ganzes Leben lang gekämpft, und ich denke, das wünschen wir uns beide.« Mit einem bedeutungsvollen Lächeln auf den Lippen verließ er den Raum.
    In den Straßen von Bolonara hieß es, dass es einer der letzten warmen Tage des Jahres sei, bevor der Herbst hereinbrechen und Regen und Kälte mit sich bringen würde. Carya war froh, dass ihre Reise zu Ende war, bevor es so weit kommen konnte. Bei Regen und Kälte wollte sie zu Hause am Herd sitzen und nicht quer durch die Wildnis reisen, selbst wenn sie ein Motorrad mit Beiwagen besaßen und mittlerweile genug Geld hatten, um die Nächte in Herbergen zu verbringen.
    Von diesem Herd trennten sie, wenn die Informationen stimmten, die man ihr gegeben hatte, nur noch wenige Schritte. Genau genommen handelte es sich um vier Treppenstufen, die zu einer grün gestrichenen Tür führten, die ihrerseits zu einem in freundlichem Gelb gehaltenen kleinen Haus gehörte, in dem ihre Eltern leben sollten.
    Drei Wochen waren seit dem Sturz der Erdenwacht vergangen, und langsam machten sich die ersten Folgen dieses historischen Ereignisses bemerkbar. Paladin Julion Alecander hatte den Vorsitz über den neuen Erdenwacht-Rat übernommen, dem die Aufgabe zufiel, das Wissen der Wacht kontrolliert zu verbreiten, um den Menschen überall auf der Welt zu helfen. Erste Überland-Sprechverbindungen wurden zwischen Städten eingerichtet. Wissenschaftler und Ärzte aus dem Tal zogen los, um zu helfen, wo Not am Mann war. Und vor einer Woche war Berichten zufolge erstmals die
Maersk Titania
vor Livorno vor Anker gegangen, um Treibstoff an alle zu verkaufen, die welchen haben wollten.
    Natürlich würde die Welt nicht von heute auf morgen ein besserer Ort werden. Noch immer beherrschten Banden weite Teile der Trümmerzonen früherer Städte, und nach wie vor saßen intrigante Männer in Positionen der Macht. Großinquisitor Aidalon gehörte allerdings nicht mehr zu ihnen. Er hatte sich, wie es hieß, nach seinem fehlgeschlagenen Verrat mit ein paar Getreuen, darunter Burlone und Ramin, dem Zugriff der Obrigkeiten entzogen und war nach Süden geflohen. Carya hoffte, dass sie ihn nie wiedersehen würde. Sie wollte nicht mehr an ihn denken müssen, jetzt, da sie nach erfolgreicher Genesung das Tal der Erdenwacht hinter sich gelassen hatte und im Begriff war, heimzukehren, schon gar nicht.
    Caryas Herz klopfte vor Aufregung wie verrückt, als sie auf die Tür vor ihr blickte. Sie fühlte sich wie an ihrem ersten Tag in der Akademie des Lichts, als sie, damals noch so viel jünger und mit zwei ordentlich um den Kopf gelegten Zöpfen, die Stufen zu ihrem Klassenraum hinaufgestiegen war. Tausend Fragen schossen ihr durch den Sinn: Wie war es ihren Eltern ergangen? Hatten Edoardo und Andetta Diodato hier ihr Glück und ihren Frieden gefunden, oder war ihre Flucht aus Arcadion bis heute nicht wirklich beendet? Und was würden sie sagen, wenn plötzlich ihre Tochter, die sie vielleicht längst für tot hielten, wieder vor der Tür stand, begleitet von Jonan, Pitlit und einem fremden, blondhaarigen Mädchen?
    Um Beistand flehend warf Carya einen Blick über die Schulter.
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