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Das Geheimnis vom Kuhhirtenturm

Das Geheimnis vom Kuhhirtenturm

Titel: Das Geheimnis vom Kuhhirtenturm
Autoren: Frank Demant
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Gefühl und er wollte es so lange wie möglich auskosten. Ein Kokon aus butterweichen elastischen Fäden umspannte ihn und machte jede Bewegung unmöglich. Er ließ sich treiben und fühlte sich eins mit den von den Laternen illuminierten Bäumen und Sträuchern. Ein kleiner rosa Vorhang hatte sich in sein Blickfeld geschoben.
    Der Killer betrachtete die Veränderungen seines Gefangenen mit Wohlwollen. Seine Befürchtung, die Tablettenration könnte eventuell zu gering ausgefallen sein, bewahrheitete sich nicht.
    Urplötzlich und ohne jede Vorwarnung brach in dieser heimeligen Idylle das blanke Chaos aus. Und niemand war darauf vorbereitet, am allerwenigsten Herr Schweitzer.
    Von rechts, also von der Gerbermühle her kommend, näherte sich ein Pärchen, das auf den ersten Blick nicht anders aussah, als all die anderen Verliebten, die diese sternenklare Nacht für einen romantischen Spaziergang nutzten.
    Trotz der dunklen Baseballkappe und seiner in immer kürzer werdenden Abständen zufallenden Augenlider erkannte Herr Schweitzer den seine weibliche Begleitung um mindestens zwei Haupteslängen überragenden Mann sofort. Und ebenso schnell, wie das Pärchen aufgetaucht war, verfiel er für Sekundenbruchteile in eine Art Schockstarre. Was er sah, war entschieden zu viel und verhieß nichts Gutes. Unaufhaltsam näherte sich das Ende all seines Strebens und Trachtens auf Erden. Seine Zukunftspläne zerplatzten, als hätte es sie nie gegeben. Herr Schweitzer wähnte sich vom Wahn besessen und konnte sich nur noch in die Hoffnung flüchten, die Götter mögen gnädig mit ihm sein und ihn nicht allzu lange leiden lassen.
    Zuerst dachte der Killer, die Ursache für die unruhig zuckenden Augen des Schnüfflers läge in einer Überdosierung des verabreichten Narkotikums. Dann sah er, wie sich Herrn Schweitzers Mund mehrfach öffnete und wieder schloß, als wolle er ihm etwas mitteilen, was aber offenbar von einer unsichtbaren Macht verhindert wurde. „Ist Ihnen nicht gut?“ fragte er besorgt.
    Herr Schweitzer wollte die Hand heben, schaffte es aber nicht. Die außerordentliche Erregung, die von ihm, Gottes momentan einsamster Kreatur, Besitz ergriffen hatte, erlaubte nur mehr ein Stottern: „Der da, der da, der da.“ Es klang, als übe er ein neues Wort.
    Der da, der da, der da. Damit war der Hüne gemeint. Genau. Der Hüne aus der Alten Oper. Der Typ, der ihn schon damals angesehen hatte, als sei Lynchjustiz gerade sehr im Kommen, als wäre sie der letzte Schrei. Ein Schrei, der Herrn Schweitzer gerade auf der Zunge erstarb.
    Karel Esterházy konnte die Panik seines Sitznachbarn im Augenblick nicht einordnen. Er besah sich den männlichen Teil des Pärchens, das im Abstand von etwa vier Metern an ihnen vorüberging. Obschon er nichts Außergewöhnliches entdecken konnte, schob er seine Hand nicht gerade unauffällig unter sein Hemd, wo die SIG Sauer steckte. Es mag komisch klingen, aber der Killer fühlte so etwas wie Fürsorgepflicht für seinen Gefangenen. Oder: Meines Freundes Feinde sind auch meine Feinde.
    Die Situation eskalierte völlig, als auch der Hüne ganz kurz glaubte, den dicken Typ neben Esterházy auf der Bank zu kennen. Bislang hatte er ihn nur von weitem gesehen, meist mit Hilfe des Fernglases. Abrupt blieb er stehen und drückte Doris Brenn-Scheidler dergestalt feste den Unterarm, daß diese leise aufschrie.
    Selbst der dämlichste aller Serienkiller hätte nun erkannt, daß hier irgend etwas ganz und gar nicht stimmte. Die Bewegung, mit der Esterházy seine Pistole zog, war wie aus einem Guß. Er wußte zwar nicht welche, aber daß das Pärchen dunkle Absichten verfolgte, war sonnenklar. „Stop! Stehen bleiben! Keine Bewegung!“ Mit einem beherzten Sprung ging er hinter der Lehne in Deckung.
    Alles in allem waren vielleicht sechs oder sieben Sekunden verstrichen, seit er den Hünen erkannt hatte. Weder diese noch die nächsten waren dazu angetan, Herrn Schweitzer rühmlich in der Sachsenhäuser Chronik bemerkenswerter Kriminalfälle zu verewigen. Von einem bronzenen Heldendenkmal mal ganz zu schweigen. Die Schlaftabletten forderten unverzüglich ihren Tribut. Er sah noch, wie der Hüne die Hände in den Himmel streckte und Doris Brenn-Scheidler sich auf die Seite fallen ließ.
    Den ersten Schuß bekam er noch am Rande mit. Der zweite peitschende Knall sorgte dafür, daß Herr Schweitzer in ein tiefes schwarzes Loch fiel. Sein Kopf sackte nach hinten.
    Vor den Mauern war allerhand los. Draußen tobte
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