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Das Geheimnis vom Kuhhirtenturm

Das Geheimnis vom Kuhhirtenturm

Titel: Das Geheimnis vom Kuhhirtenturm
Autoren: Frank Demant
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Schnitzel einzuverleiben. Außerdem war eh kein Totenschmaus vorgesehen, wie Ferdi ihm gesteckt hatte, von daher gab es auch keine terminlichen Überschneidungen. Der Ermordete hatte nämlich fast keine Verwandtschaft mehr gehabt, nur seine einzige Schwester war aus Argentinien angereist.
    Fast wäre Herr Schweitzer auf Bertha aufgelaufen, denn der Trauerzug war abrupt zum Stehen gekommen. Man hatte das Grab erreicht. Der schmale Weg bot nicht allen Trauernden Platz, so daß der hintere Teil des Zuges auf Seitenwege ausweichen mußte. Die noch offene Grabstätte befand sich direkt an der efeuberankten südlichen Sandsteinmauer des Südfriedhofs. Dahinter verlief der Sachsenhäuser Landwehrweg, der linkerhand zum Goetheturm führte. Nur schwach war der Verkehrslärm der nahegelegenen Darmstädter Landstraße zu vernehmen. Herr Schweitzer lehnte sich an den steinernen, an den Seiten mit Moos bewachsenen Brunnen, zu seinen Füßen stand eine grüne Plastikgießkanne der Genossenschaft der Friedhofsgärtner, wie ihm die weiße Aufschrift zu verstehen gab. Sofort erhielt er von Bertha einen kleinen Stoß in die Rippen, woraufhin er militärische Haltung annahm. Ihr Blick gab ihm deutlich zu verstehen, daß wenn er sich weiterhin danebenbenahm, er, Herr Schweitzer, sein Schnitzel vergessen könne.
    Nachdem sich die Unruhe gelegt und jeder seinen Platz gefunden hatte, hielt der Geistliche seine Rede. Herr Schweitzer hörte nicht hin, betrachtete vielmehr die Grabsteine links und rechts von ihm. Ihm war langweilig und er hoffte, daß das salbungsvolle Gesülze dort vorne sich nicht allzu sehr in die Länge ziehen würde. Trauerreden waren doch immer gleich. Stets wurden die guten Seiten des Toten hervorgehoben, und daß Gott sein Schäflein zu sich genommen habe, auf daß er seinen Frieden im Himmelreich finden möge. Er selbst war da viel pragmatischer veranlagt. Da er nicht wußte, welche Annehmlichkeiten das Jenseits ihm zu bieten hatte, trachtete er nach ebendiesen, so lange er noch trachten konnte. Sicher ist sicher. Außerdem hegte er starke Zweifel, daß Gott die Kunst des Apfelweinkelterns und des Marihuanaanbaus beherrsche. Stringent ließ sich daraus ableiten, der Himmel mußte die Hölle sein. Luzifer traute er da schon mehr zu. Vielleicht, so überlegte Herr Schweitzer, sollte ich kurz vor meinem Tod noch eine Bank überfallen und vorab noch ein Totenhemd mit Taschen in Auftrag geben, damit er dem Teufel ein paar Marihuanasamen als Geschenk offerieren konnte. Man weiß ja nie, vielleicht konnte Luzifer aus dem einen oder anderen Grund den Bedarf nicht decken. Zumindest klimatisch dürfte die Hölle mit ihrer propagierten Hitze für die Haschisch-Aufzucht viel besser geeignet sein als die einem steten Wind ausgesetzten Wölkchen, auf denen man allenfalls Harfe spielen konnte. Und vorher zum Islam überzutreten war auch nichts für Herrn Schweitzer. Siebzig Jungfrauen erst noch schweißtreibend und zeitaufwendig in puncto Sex zu unterrichten – in seinem Alter, nein danke!
    Vorne tat sich was. Bewegung kam in die Menge. Offenbar hatte der Herr Pfarrer geendet. Durch eine Lücke konnte Herr Schweitzer sehen, wie die ersten kondolierten. Um sein Schnitzel nicht zu gefährden, folgte er dem Ritual. Bertha, die alte Krawallschachtel, konnte unerbittlich sein.
    Es ging nur langsam voran. Herr Schweitzer konnte nichts dafür, ein Grab mit einem fast verwitterten einfachen Holzkreuz faszinierte ihn. Der Junge war nur knapp drei Jahre alt geworden. Nur zehn Tage hatten zu seinem Geburtstag gefehlt. Was da wohl geschehen war? Eine Krankheit? Ein Unfall? Totschlag gar?
    Von hinten erhielt er einen leichten Stupser. „Auf was wartest du?“ zischte Bertha.
    „Auf meine zwölf Jünger“, hauchte Herr Schweitzer. Er nahm an, es sei leise genug gewesen.
    Doch Bertha hatte gute Ohren. Zu gute. „Depp. Beweg endlich deinen Arsch.“
    Na, na, na, dachte er daraufhin, das gehört sich aber nicht auf einer Beerdigung. Herr Schweitzer schloß auf. Das Schnitzel …
    Nach schier endlosen Minuten nahm er eine kleine Schaufel in die Hand und bediente sich am eigens aufgeschichteten Sandhügel. Dann stand er einer Frau gegenüber. Wahrscheinlich die Schwester von Jens, überlegte er, denn sie war die einzige, die Beileidsbekundungen entgegennahm. Schräg hinter ihr stand der Geistliche mit einem Gebetsbüchlein in der Hand. Er hielt den Kopf gesenkt. Herr Schweitzer nahm die ihm dargebotene Hand und murmelte etwas, das nicht zu
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