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Das Geheimnis vom Kuhhirtenturm

Das Geheimnis vom Kuhhirtenturm

Titel: Das Geheimnis vom Kuhhirtenturm
Autoren: Frank Demant
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verstehen war. Auch von ihm selbst nicht. Er hatte sich keine Worte zurechtgelegt, wußte auch nicht, was in solchen Fällen angebracht war. Aber er achtete immerhin darauf, daß sein Tonfall unendliche Trauer transportierte. Ihre Augen waren hinter einem Schleier verborgen. Rote Haare lugten unter einem kleinen schwarzen Hut hervor. Sie hatte eine gute Figur. Die schwarze Bluse schimmerte wie Seide. „Danke“, sagte sie.
    Im letzten Moment dachte Herr Schweitzer daran, noch einen Blick auf den schwarzen marmornen Stein zu werfen. Jens Auer, gestorben am 4. Juli. Jetzt wußte er auch den Nachnamen.
    Nun war er durch, hatte seine Pflicht erfüllt. Er war erleichtert. Doch nicht nur ihm erging es so. Die ersten Gespräche wurden aufgenommen, wenn auch nur flüsternd. Manch einer raffte die Schulter oder schüttelte sich die Beine. So als habe man Muskelübungen absolviert und müsse nun die Muskulatur lockern.
    Nachdem Herr Schweitzer die 1896 erbaute Trauerhalle passiert hatte und auf der gepflasterten Zufahrtsstraße inmitten der Menschenmenge stand, lockerte er seine Krawatte. Den Knoten hatte seine Freundin Maria vor langer Zeit für ihn gebunden. Den Schlips würde er später vorsichtig über den Kopf ziehen, damit der Knoten keinen Schaden nahm. Herr Schweitzer konnte keine Krawatten binden. Es gab Wichtigeres auf der Welt. Zum Beispiel Essen. Dann gesellte er sich zu den anderen der Weinfaß-Clique.
    „Wo ist eigentlich Maria?“ wurde er vom Apfelweinkellner Buddha Semmler gefragt, der inzwischen auch schon wieder ein paar Kilo mehr in die Waagschale warf, wie Herr Schweitzer zufrieden feststellte.
    „Sie wollte eigentlich heute früh eintreffen, aber in Neapel wird mal wieder gestreikt.“
    „Ja, ja, die Italiener. Haben’s einfach drauf“, kam es verschmitzt von Weizenwetter, dessen wirklicher Name schon vor langer Zeit verschollen gegangen war. Das kam davon, wenn man alle naslang um Weizenbier wettete.
    „Was jetzt?“ wollte dessen Freundin Karin wissen, die ihre Locken kürzlich erst in der Annahme, ihr Freund und alle anderen Männer stünden darauf, bums-mich-blond gefärbt hatte.
    „Na, ich tät vorschlache, mer gehen jetzt erst emal nach Haus, ziehn uns um und treffe uns in ner Stund bei mir im Faß. Is schon alles vorbereit. Ich muß bloß noch die Kartoffeln un die Schnitzel in die Pfann hauen“, erklärte Bertha.
    Und wenn auch die Hunde vom Physiologen Pawlow und Herr Schweitzer ansonsten nichts gemein hatten, hierin waren sie sich einig: Auch ihm lief das Wasser im Munde zusammen. „Au fein“, kommentierte der Detektiv händereibend. „Ich muß nur noch Pepsi füttern, dann komme ich.“ Das entsprach nicht ganz der Wahrheit, denn die Katze hatte bereits gefrühstückt. Herr Schweitzer hatte eher einen kleinen Joint im Sinn. Nicht zu stark, es war ja noch früh am Tag.
    „Ich fahre dich“, bot Ferdi ihm an. „Mein Taxi steht da hinten.“
    Dann löste sich die Gruppe auf.
    Kurze Zeit später wünschte sich Herr Schweitzer, die paar Schritte zum Lerchesbergring gelaufen zu sein, denn an die hundert Taxen wollten annähernd gleichzeitig den Parkplatz verlassen, was einen immensen Stau vor dem Südfriedhof verursachte. An den Funkantennen wehten schwarze Bänder als Zeichen der Trauer. Natürlich, dachte Herr Schweitzer, ist doch logisch, Jens ist ja ermordet worden und seine Kollegen wollten mit ihrer Anwesenheit auf der Beerdigung darauf aufmerksam machen, daß der Täter immer noch nicht dingfest gemacht war und die Polizei sich langsam mal sputen sollte. Auf der Grünfläche an der Bushaltestelle entdeckte er ein Kamerateam des Hessischen Rundfunks.
    Der Erdbeersaft war mit Eiswürfeln versehen und das mit mildem Tabak und verbotener Substanz gedrehte Zigarettchen steckte zwischen seinen Lippen. Gerade wollte es Herr Schweitzer anzünden und sich in die Hängematte schmeißen, als eine ihm wohlbekannte Stimme dazwischenfunkte.
    „Hier steckst du also.“ Maria stand breitbeinig, was nicht sehr feminin wirkte, am Tor und musterte ihn. Sie mußte eben erst gekommen sein. Noch hatte sie keine Zeit gefunden, sich ihrer leichten beigefarbenen Sommerjacke zu entledigen.
    „Ist dir nicht heiß?“ konterte Herr Schweitzer die eher rüde Begrüßung, schließlich hatte man sich geschlagene fünf Tage nicht gesehen. Seine Freundin hatte mal wieder geschäftliche Termine wahrgenommen. Vielleicht war Maria noch immer sauer auf ihn, weil er nicht mitgeflogen war. Warum soll ich von der
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