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Das Geheimnis vom Kuhhirtenturm

Das Geheimnis vom Kuhhirtenturm

Titel: Das Geheimnis vom Kuhhirtenturm
Autoren: Frank Demant
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Mami zum Geburtstag überreicht hatte. In ihrem hellrosa Sommerkleidchen aus Baumwolle.
    Er unterdrückte den aufkeimenden Zorn und legte den zweiten Strauß daneben. Die zweite Vase aus Glas, die nach oben hin wie eine sich den Sonnenstrahlen entgegenreckende Blume geöffnet war, war offensichtlich in den letzten zwei Tagen gestohlen worden. Er würde eine neue besorgen müssen. Vera hatte rote Rosen geliebt. Damals, als die Welt noch eine heile war. Erneut bückte er sich, weil sich eine Blüte zu weit von den anderen entfernt hatte. Ordnung muß sein, dachte er. Ohne Ordnung würde sein Plan mißlingen. Ein Plan, den seine vor fünf Wochen verstorbene Frau nie und nimmer gebilligt hätte. Aber es waren Rachegelüste, die ihn überhaupt hatten weiterleben lassen seit damals. Mit dem Tod der Tochter war auch seine Lebensfreude beerdigt worden. Vera konnte sich seitdem nur noch mit Tabletten durchs Leben schleppen. Nun war auch sie tot. Wahrscheinlich waren die vielen verschiedenen Arzneien gegen ihre Depressionen in immer höheren Dosen schuld an ihrem Herzstillstand.
    Liebend gerne hätte er sich dazugelegt. Doch zuvor mußte er noch drei Menschen töten.
    Er rechnete damit, in etwas mehr als drei Wochen mit der ihm selbst auferlegten Aufgabe fertig zu sein. Nach jedem Mord war eine Woche Pause geplant, in der er sich für den nächsten sammeln konnte. Daß eines seiner Opfer unerwartet verreisen sollte, war fast auszuschließen. Nicht umsonst hatte er sie jahrelang beobachtet. Er kannte ihre Gewohnheiten so gut wie seine eigenen. Vera brauchte er nie zu erklären, warum er so lange außer Haus war. Sie war mit ihrem Kummer beschäftigt.
    Er verließ den Friedhof und hatte nur sieben Minuten später seine Wohnung im Goldbergweg erreicht.
    – Ende der Rückblende –
    Der Entschluß war ein felsenfester. Zwischen jedem Glas Wein würde Herr Schweitzer zwei Gläser Mineralwasser einschieben. So konnte es schließlich nicht weitergehen. Das erst im Frühjahr hinzugefügte Loch reichte nicht mehr. Jetzt besaß er nur noch einen Gürtel, der groß genug war.
    Maria wollte nicht mitkommen ins Weinfaß. Der gestrige Abend steckte ihr noch in den Knochen. Außerdem lief auf ARTE ein Film, den sie schon immer mal sehen wollte.
    Im Prinzip hatte er auch keinen großen Bock, aber sein Kumpel, der Oberkommissar, wollte vorbeischauen und ein wenig aus dem Nähkästchen plaudern, was den Taximord anging. Es bestand ja immerhin noch die Möglichkeit, daß Herr Schweitzer sein Versprechen Elly McGuire gegenüber einlösen mußte.
    Der Gelegenheitsdetektiv nahm den fünfzig Zentimeter langen Schuhlöffel, den ihm seine Freundin vor nunmehr einem halben Jahr von einem Einkaufsbummel mitgebracht hatte, und schlüpfte in seine braunen Lederschuhe. Dann hielt er inne und betrachtete ausgiebig den Schuhlöffel. Natürlich war er praktisch, bücken brauchte er sich damit ja nicht mehr. Und doch … erst jetzt ging Herrn Schweitzer ein Licht auf. Steckte hinter diesem Mitbringsel etwa eine Portion subtiler Sarkasmus seitens seiner Freundin. Er ging noch mal zurück. „Du, Maria …“
    „Ja, mein kleiner Bär.“
    Aha. Schon wieder. Waren Bären nicht die Tiere, die sich vor dem Winterschlaf einen Ranzen anfraßen, der alle Dimensionen sprengte? „Du sag mal, warum hast du mir eigentlich den Schuhlöffel geschenkt? Damit ich mich nicht mehr bücken muß?“
    „Aber, Schatz! Ich weiß doch, der Herr hat’s gerne kommod.“
    Das war nicht die Antwort, die er hatte hören wollen. Allerdings wußte Herr Schweitzer auch nicht so recht, wie sie zu seiner Zufriedenheit hätte ausfallen sollen. Und Marias kaum erkennbares Lächeln ließ Interpretationen nach allen Seiten zu. Er glaubte, seine Freundin gut genug zu kennen, um zu erahnen, daß der Schuhlöffel mehr eine Anspielung denn eine nette Geste war. Aber hundert Prozent sicher war er sich nicht. „Bis später“, sagte er daher lapidar.
    Der Gedanke ließ ihm keine Ruhe. Anstatt, wie er vorgehabt hatte, zum Taxistand am Südfriedhof zu laufen, entschied sich Herr Schweitzer für einen Spaziergang runter zum Weinfaß. Die Sonne warf lange Schatten. Probehalber neigte er den Kopf ein wenig nach vorne. Das Resultat war, daß sein Schatten nun in der Tat aussah wie ein Bär kurz vorm Winterschlaf. Verdammter Mist, fluchte Herr Schweitzer, ich muß dringend was unternehmen.
    Es war nicht gut bestellt um ihn, als er seine Stammkneipe am Ziegelhüttenplatz erreichte. Mit trüben Gedanken
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