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Das Geheimnis des toten Fischers

Das Geheimnis des toten Fischers

Titel: Das Geheimnis des toten Fischers
Autoren: Marcia Muller
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Papierkorb war
peinlich geleert. Ich trat an den Garderobenschrank und fand dort, was ich
erwartete — Röcke, Blusen, Kleider und Hosen nach Art und Farbe geordnet. Auf
dem Boden standen die Schuhe in einem Gestell sauber in einer Reihe
nebeneinander.
    Ich drehte mich um. »Mr. Snelling — «
    »Bitte sagen sie Abe zu mir.«
    »Abe, darf ich Sie fragen, welcher Art
die Beziehung zwischen Ihnen und Jane ist?«
    »Ich verstehe nicht, was Sie meinen.«
    »Waren Sie nur Bewohner ein und
desselben Hauses, oder...«
    »Ach so. Wenn Sie glauben, Jane sei
meine Geliebte — nein, sie wohnt nur hier. Ich habe sie kennengelernt, kurz
nachdem sie von Salmon Bay in diese Gegend gezogen war. Sie interessierte sich
für Photographie, also hatten wir zumindest eine gemeinsame Neigung. Sie
hoffte, früher oder später eine Stellung als Sozialarbeiterin zu bekommen, aber
wie ich schon sagte, die Jobs sind dünn gesät. Sie hat mir leid getan — sie
arbeitete halbtags als Stenotypistin und hatte Mühe, ihre Miete aufzubringen — ,
also schlug ich ihr vor, in dieses Haus zu ziehen, bis sie wieder regelmäßige
Arbeit gefunden hätte. Ich hatte natürlich nicht angenommen, daß das sechs
Monate dauern würde — oder noch länger.«
    »Ich verstehe.«
    »Nicht, daß es mir etwas ausmacht«,
fügte er rasch hinzu; »sie ist ruhig und rücksichtsvoll — und außerdem eine gute
Köchin.«
    Ich trat an das Bücherregal, in dem
Lehrbücher, populäre Selbsthilfe-Ratgeber und zahlreiche Science-fiction-Romane
standen. Danach warf ich einen Blick in die Kommode und in die
Nachttischschubladen. Die Ordnung war ebenso auffallend wie überall — nirgends
etwas ganz Persönliches, das etwas Aufschluß über ihr Wesen gegeben hätte.
    »Was ist mit diesen Bekannten, bei
denen Sie angerufen haben?« fragte ich Snelling. »Wann haben Sie zuletzt mit
ihnen gesprochen?«
    »Heute früh. Niemand hat etwas von Jane
gehört.«
    »Wissen Sie, ob Jane ein Adreßbuch
besitzt?«
    »Ein kleines, das sie in ihrer
Handtasche mit sich führte. Ich habe danach gesucht, aber sie hat es vermutlich
mitgenommen.«
    »Können Sie sich sonst noch denken, wo
sie das eine oder andere notiert haben könnte, sagen wir, Namen, Verabredungen
oder Adressen?«
    Er zog die Stirn in Falten. »Vielleicht
ganz vorne im Telephonbuch. Sie hat manchmal darin herumgekritzelt.«
    Ich hatte das Telephonbuch gesehen, im
untersten, offenen Regal des Nachttischchens. Jetzt nahm ich es heraus und
blätterte in den ersten Seiten. Tatsächlich fanden sich dort in einer kühnen,
entschlossenen Handschrift, die zu der Frau auf dem Photo zu passen schien,
verschiedene Notizen; Gold Mirror, 18. Straße und Taraval... Bus Nummer 43
Masonic zur Geary... SFG-Apotheke 12-8... Kelly-Service, Market bei der 6.
Straße... Cannery-Kino, Mittwoch halbe Preise ... Es handelte sich um die
Namen von Restaurants, Geschäften, Kinos und Busrouten, alles Informationen,
die für das Leben in der Stadt nützlich waren.
    Ich legte das Telephonbuch wieder
zurück an seinen Platz, wobei ich darauf achtete, daß es nach den Kanten
ausgerichtet war, wie es seine Besitzerin wohl gemacht hätte. Dann wandte ich
mich dem Fenster zu und schaute hinaus über den im Dunkel liegenden Hügel mit
den zum Teil unbebauten Grundstücken und halbverfallenen Häusern. Wieder kroch
mir ein unerklärlicher Schauer über den Rücken.
    »Ziemlich einsam, wie?« vernahm ich
Snelling von der Tür her. Er hatte das Zimmer nicht betreten, vermutlich weil
er befürchtete, draußen könnte ein Heckenschütze auf ihn lauern.
    »Mir ist aufgefallen, daß die Häuser
dieser Gegend zum Abbruch bestimmt zu sein scheinen. Wohl nicht besonders
angenehm, hier zu wohnen.«
    »Kann sein, aber in diesem Teil von
Potrero Hill herrscht das beste Klima der ganzen Stadt. Da ich nur mit
natürlichem Licht arbeite, ist für mich gutes Wetter wichtig. Außerdem wird es
wohl nicht mehr lange so einsam bleiben. Die Häuser werden abgerissen, um
Eigentumswohnungen Platz zu machen, genau wie auf der anderen Seite des Hügels.
Und das ist mir auch wieder nicht recht, denn eigentlich liebe ich die
Einsamkeit.«
    Ich schaute mich noch einmal in dem
Zimmer um und folgte dann Abe Snelling nach oben. »Sind Sie sicher, daß Sie die
Polizei nicht einschalten wollen, Abe?« fragte ich.
    »Das möchte ich auf keinen Fall!« Er schien
selbst überrascht zu sein, wie heftig seine Antwort ausfiel, und er wiederholte
etwas freundlicher: »Nein. Wenn Jane aus
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