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Das Geheimnis des Himmels

Das Geheimnis des Himmels

Titel: Das Geheimnis des Himmels
Autoren: Horst Schoch
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fortgeblasen zu sein, keiner hörte mehr auf die Argumente der anderen. Und selbst wenn noch einige dazu bereit gewesen wären – durch den ohrenbetäubenden Lärm war dies unmöglich. Da der Hörsaal zudem aus allen Nähten platzte, war die Verwirrung vollkommen. Als die Studenten bemerkten, dass ihr Professor wieder im Raume war, ebbte der Lärm für eine kurze Zeit ab. Man hatte nicht mit seiner Rückkehr gerechnet.
    Wenzel sprach zunächst kein Wort. Durch dieses geschickte Auftreten – oder war es einfach Hilflosigkeit? – erlangte er zumindest für eine kurze Zeit wieder die Aufmerksamkeit der Anwesenden.
    „Meine Herren! Ich verwahre mich gegen diese Störung meines Unterrichts. Wer etwas gegen meinen Vortrag einzuwenden hat, wird bei den pflichtgemäßen Disputationsübungen ausreichend Gelegenheit dazu bekommen, darauf könnt Ihr Euch verlassen!“
    Mit diesen Worten versuchte Wenzel Souveränität auszustrahlen. Vergeblich.
    „Alles Lüge!“ Die Stimmen erhoben sich wieder. Ein großgewachsener Student mit Dolch und Federhut ergriff das Wort. „Bei den Disputationen bekommen wir Eure, jawohl,
Eure
Propositionen vorgegeben und müssen diese verteidigen. Das Ergebnis steht bereits fest. Wir selbst könnten Thesenreihenaufstellen und gegen Eure verstaubten Ansichten verteidigen, aber das werdet Ihr niemals zulassen!“
    „Meine Kollegen und ich haben Eure Fähigkeit zu gelehrter Disputation zu beurteilen und nicht Eure Meinungen!“, schrie Wenzel zurück.
    Als seine Anhänger unter den Studenten merkten, dass ihr Professor auf dem besten Wege war, sich der Lächerlichkeit preiszugeben, ergriffen sie die Initiative: „Lernt doch erst einmal den gebührenden Respekt vor der Autorität – und dann, wie man im Disputationsstuhl ficht. Nicht wer am lautesten schreit, hat recht!“
    Zustimmendes Gemurmel der bisher schweigenden Mehrheit machte sich breit. Die Aufrührer waren erkennbar in der Minderheit, machten ihre quantitative Unterlegenheit jedoch durch Lautstärke und Säbelrasseln wieder wett.
    „Wer seid ihr denn, uns zu belehren?“ Wieder hatte der hagere, hoch aufgeschossene junge Mann das Wort ergriffen. „Weder mit den Waffen des Geistes noch mit den anderen“, bei diesen Worten berührte er wie zufällig den Kurzdolch an seiner Seite, „noch mit den anderen, sage ich, seid ihr uns gewachsen.“
    „Das wollen wir doch mal sehen!“, scholl es zurück.
    Dr. Wenzel wünschte sich sehnlichst, aus dieser misslichen Lage befreit zu werden. Wo blieb nur die herzogliche Wache? Seine Sorge war indes unbegründet, denn in dem allgemeinen Tumult hatten es die Stadtsoldaten geschafft, unbemerkt in den Hörsaal zu gelangen und die Türen zu verschließen. Dr. Reinhardus stand auf einmal neben dem Katheder, umringt von Uniformierten. Als die verfeindeten Gruppen bemerkten, dass sie einer Macht höherer Ordnung gegenüberstanden, wurde es schlagartig still im Saal.
    „Kraft meines Amtes als Rektor dieser Universität beende ich diesen Aufruhr“, begann Reinhardus seine Rede. „Ihr werdetnun geschlossen diesen Saal hier verlassen und Euch in der Amtsstube des Bürgermeisters einfinden. Um Euch diesen Schritt zu erleichtern, stehen draußen weitere Wachen, die Euch begleiten werden. Flucht wird als Verrat ausgelegt! Dort werdet Ihr Euch einzeln für Euer Verhalten rechtfertigen. Jede weitere Störung der Ordnung wird hart geahndet und gegebenenfalls zum Verweis von unserer hochgelobten Universität führen …“
    Die Rede versetzte die Studenten augenblicklich in einen Schockzustand. Die meisten waren der Ansicht, dass diese Reaktion von Reinhardus völlig überzogen war. Selbst wenn man die Vorladung unbeschadet überstand – welcher Eindruck musste entstehen, wenn man in aller Öffentlichkeit unter strengster Bewachung über den großen Rathausplatz zur Bürgermeisterei geführt würde? Da war man dem Spott der Bevölkerung ausgesetzt, die sich nur zu gern für die nächtlichen Ruhestörungen und Trinkgelage der Studenten revanchieren würde. Ganz zu schweigen von der Sorge, ob diese aufsehenerregende Aktion den Eltern verborgen bleiben würde – die immerhin das übermütige Treiben finanzierten.
    Inzwischen hatten sich weitere Lehrkräfte der philosophischen und theologischen Fakultät eingefunden. Der Aufruhr und seine obrigkeitliche Bekämpfung waren nicht unbemerkt geblieben. Auch Magister Bernhardi wurde Augenzeuge der Aktion. Er schaffte es, an den Rektor heranzutreten.
    „Aber lieber Dr.
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