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Das Geheimnis des Himmels

Das Geheimnis des Himmels

Titel: Das Geheimnis des Himmels
Autoren: Horst Schoch
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sich zwar ungewöhnlicherweise in einem Leinensäckchen, aber die ersten Seiten enthielten, wie Bruder Remigius nur mühsam entziffern konnte, Aufzeichnungen über die Bestände der Klosterküche. Geringschätzig hatte er den kleinen Stoffbeutel zu den Dingen geworfen, die er für den Unrat bestimmt hatte. Die Papier- und Pergamentreste flogen in hohem Bogen hinterher.
    Magister Bernhardi war seinerzeit bei dieser Visitation dabei gewesen. Der Rektor der Universität hatte ihn beauftragt, Bruder Remigius genau auf die Finger zu schauen, denn er traute diesen Klosterbrüdern nicht über den Weg, zumindest dann nicht, wenn es um materielle Dinge ging.
    Als Remigius seine Begutachtung beendet hatte und den kleinen Haufen zur Beseitigung freigab – nicht ohne vorher umständlich die Aktion zu Protokoll zu bringen –, folgte eine förmliche Verabschiedung des Visitators durch Magister Bernhardi. Lange noch, nachdem Bruder Remigius gegangen war,hatte Bernhardi auf diesen kleinen Haufen entbehrlicher Gegenstände gestarrt.
    Gedankenverloren hatte er seine Hand nach dem kleinen Stapel Papier ausgestreckt, der von der Feuchtigkeit zusammengeklumpt war, und dann das winzige Bündel an sich genommen. Er wusste selbst nicht genau, warum er so gehandelt hatte. Einerseits wäre es ihm als Magister ohnehin schwergefallen, an beschriebenem Papier vorbeizugehen, andererseits stieg in seinem Innersten eine noch ungeformte Ahnung auf, hier gäbe es vielleicht noch etwas an Erkenntnis zu gewinnen. Eine neue Aufgabe vielleicht, die ein bisschen von dem Alltag des Studienbetriebes ablenken könnte.
    Seinen kleinen Fund hatte er in einer winzigen Truhe in seiner Bibliothek aufbewahrt. Auch seiner Frau Elisabeth und seinen fünf Töchtern hatte er zunächst nichts erzählt. Die wenigen Stunden, die er täglich mit seiner Familie zu Hause verbrachte, waren mit häuslichen Pflichten gefüllt. Daneben verbrachte er oft noch freie Zeit mit Studenten, denen er gegen eine kleine Gebühr zusätzlichen Unterricht anbot.
    Und so hatte er für viele Monate seinen Fund regelrecht vergessen. Erst als er eines Tages zur Vorbereitung auf ein entlegenes philosophisches Thema seine Bibliothek durchstöberte, fand er das kleine Leinensäckchen wieder, das er hinter zwei dicken, schweinsledernen Folianten versteckt hatte. Also hatte er sich eines Tages entschlossen, den Fund in seine Studierstube in der Universität zu bringen und sich dort die Freiheit zu nehmen, den Dingen, die vor ihm lagen, auf den Grund zu gehen.
    Auf die Frage, was er denn so Besonderes an der Universität erlebt habe, hatte er nach längerer Zeit auch Elisabeth von seiner kleinen Entdeckung berichtet. Diese wiederum quittierte seine ewige Suche nach Geheimnissen mit einem Lächeln. Männlicher Spieltrieb.
    Und deswegen verbringe ich meine kostbare freie Zeit hier in der Universität, während zu Hause Frau und Kinder auf mich warten, seufzte Bernhardi leise in seinen dünnen Bart. Nach einigen Minuten folgte er seinem Diener nach Hause.
    Der Regen durchnässte seinen Mantel und der Wind peitschte ihm unangenehm ins Gesicht. Die Gassen waren leer und der Magister drückte sich an den Hauswänden entlang, um wenigstens etwas Schutz vor dem Regen zu haben. Dabei bemerkte er nicht, dass in einem Torbogen eine dunkel gekleidete Gestalt kauerte.
    Der Mann sprang ihn von der Seite regelrecht an. Normalerweise hätte Bernhardi die Situation als Überfall verstanden. So etwas passierte in den letzten Jahren immer häufiger, weil die Obrigkeit nicht in der Lage war, die Sicherheit im Inneren der Stadtmauern zu gewährleisten. Aber ihm fiel auf, dass die Gestalt schwer atmete und sich ungelenk bewegte. Also nichts, was auf einen ernst zu nehmenden Überfall hindeutete. Das Gesicht des Unbekannten war von einer Kapuze verhüllt.
    „Verzeiht meinen Überfall!“, keuchte die Gestalt.
    „Was wollt Ihr von mir?“, entgegnete Bernhardi kühl. „Wieso schleicht Ihr Euch wie ein Dieb in der Nacht an mich heran?“
    Der Fremde konnte aus Atemnot nicht sofort antworten. Er hatte den Mantel des Magisters, an den er sich zunächst geklammert hatte, als wollte er seine Beute nicht mehr hergeben, inzwischen wieder losgelassen.
    „Verzeiht, ich sah keine andere Möglichkeit, Euch zu treffen.“
    „Ihr kennt mich?“
    „Ja, und es spielt jetzt keine Rolle, woher und warum. Ich muss Euch etwas mitteilen!“
    „Für eine Mitteilung habt Ihr Euch aber eine ungewöhnliche Stunde und einen noch
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