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Das Geheimnis der versteinerten Traeume

Das Geheimnis der versteinerten Traeume

Titel: Das Geheimnis der versteinerten Traeume
Autoren: Ralf Isau
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Doktor in Traumpsychologie gemacht und kann Ihnen versichern, dass ich sofort kündigen würde, sollte meine Arbeit anderen – vor allem jungen – Menschen Schaden zufügen. Natürlich birgt jeder Eingriff in unser Leben ein gewisses Gefahrenpotenzial. Sogar Aspirin kann bei falscher Dosierung schädlich sein. Oder das Autofahren, wenn man die Regeln nicht beachtet. Aber würden Sie deshalb Ihrem Sohn das eine oder das andere verbieten?«
    »Er ist fünfzehn.«
    »Treibt er Sport?«
    »Ich fahre Skateboard«, sagte Leo. Ihm ging das ständige Umihn-Herumreden auf die Nerven. »Sogar ziemlich gut. Neulich habe ich einen 360° Hardflip hinbekommen.«
    »Einen was?« Endlich beachtete Dabelstein ihn.
    »Das ist ein Frontside 360° Pop Shove-It mit einem Kickflip.«
    »Klingt … äh … phänomenal. Ist … so was ganz ohne Risiko?«
    »Wenn man sich blöd anstellt, bricht man sich sämtliche Gräten.«
    Der Psychologe stach seine Kuchengabel in die Nusstorte. »Und was tust du dagegen?«
    »Ich trage Ellbogen- und Knieschützer und auf der großen Halfpipe immer einen Helm.«
    »Darauf habe ich bestanden«, betonte Severina mit Nachdruck.
    »Und trotzdem verbieten Sie Leo das Skaten nicht«, sagte Dabelstein mit vollem Mund und fuchtelte beim Sprechen mit der Gabel herum. »Bildlich gesprochen sagen die Verantwortlichen der Traumfabrik genauso: ›Setzt den Helm auf!‹ Bei richtiger Anwendung gelten die von YourDream entwickelten Methoden
als völlig unbedenklich. Es gibt bisher keine Belege für das Gegenteil, die einer streng wissenschaftlichen Überprüfung standhalten.«
    Leo meinte, ein verhaltenes Aufatmen bei seiner Mutter zu bemerken. Der Doktor machte den Eindruck eines Mannes, der genau wusste, wovon er redete. »Warum heißt Ihre Einrichtung eigentlich Traumakademie?«
    »Weil man bei uns das Träumen lernt. Natürlich sind wir eine staatlich anerkannte Schule und bieten unseren Schülern eine erstklassige Ausbildung durch die besten Lehrer.«
    »Jeder kann doch träumen.«
    »Aber nicht so wie du. Nach allem, was ich bisher von dir gelesen und gehört habe, bist du ein Naturtalent für Klarträume, in der Fachsprache luzides Träumen genannt. Darunter versteht man das bewusste Erleben und Beeinflussen des Trauminhalts.«
    »Wollen Sie sagen, mein Sohn hat den Wetterhahn vorsätzlich gestohlen?«, fragte Severina. Ihre Stimmlage wechselte ins Schrille.
    Dabelstein trank seelenruhig einen Schluck Kaffee. So leicht ließ er sich offenbar nicht aus dem Gleichgewicht bringen. »Nicht selten entsteht die Absicht im Unterbewusstsein. Vielleicht wollte er seinem Vater gefallen. Mir kam Ihr Mann etwas angespannt vor. Wahrscheinlich hat er im Geschäft so einiges um die Ohren. Ist es möglich, dass er Leo manchmal nicht so viel Zeit widmen kann, wie der Junge es sich wünscht?«
    »Das trifft auf mich genauso zu. Das moderne Leben fordert eben seine Opfer.«
    Leo musste an das Handy im Truthahn denken. Konnte es sein, dass dieser Dabelstein recht hatte und die Mitbringsel aus seinen Träumen nur der Hilfeschrei eines vernachlässigten Jungen waren? Er schob den unangenehmen Gedanken beiseite
und stellte eine Frage, die ihn schon die ganze Zeit beschäftigte. »Was ist eigentlich ein Traumschmied?«
    Der Internatsleiter lächelte. »Den Begriff hat Robert Zaki geprägt.«
    »Klingt ziemlich angestaubt. Von einem Hightechbonzen hätte ich was Moderneres erwartet.«
    »Der korrekte wissenschaftliche Terminus lautet Oneironaut. So bezeichnen wir jene, die das luzide Träumen beherrschen. Übrigens eine Fertigkeit mit enormem Karrierepotenzial. YourDream stellt vorzugsweise Absolventen der Akademie als Traumdesigner ein. Das sind hoch bezahlte Traumschmiede, die Maßanfertigungen für die Therapien oder für YD-Premiumkunden herstellen. Andere Designer entwerfen neue Traumbausteine für die Module, aus denen man sich im Internet seine Träume zusammenklicken kann.«
    »Und Sie meinen, ich könnte das auch?«
    »Vielleicht sogar noch viel mehr. Sag mal, Leo, hast du eine Ahnung, wie genau der Wetterhahn vom Dach der Kreuzkirche in dein Bett gekommen ist?«
    »Keinen blassen Schimmer.«
    »Hast du schon früher im Schlaf Dinge getan, die … sagen wir, unerklärlich sind?«
    Severina lachte. »Er hat mal auf dem Fahrrad die Köhlbrandbrücke überquert …«
    »Ich meinte eher etwas Spektakuläres, Unvorstellbares.«
    »Der Junge ist auf dem Brückengeländer gefahren. Fast vier Kilometer weit. Mit fünf Jahren.
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