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Das Geheimnis der versteinerten Traeume

Das Geheimnis der versteinerten Traeume

Titel: Das Geheimnis der versteinerten Traeume
Autoren: Ralf Isau
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und schlang sie trocken herunter. »Zufrieden?«
    Sie nickte. »In ein paar Minuten bist du eingeschlafen. Das verschafft dir einen Vorteil gegenüber Refi Zul, falls er aufwacht, während du ihn ins Meer wirfst. Als Träumer bist du ihm überlegen.«
    »Hoffen wir’s«, antwortete Leo. Er wandte sich den anderen Freunden zu.
    Die Schüler und Lehrer der Traumakademie drängten sich dicht im Tunnel vor der Drusenkammer. Alle, sogar Okumus, waren zur Verabschiedung gekommen. Jeder hatte Leo die Hand schütteln wollen. Es war mehr ein Abklatschen gewesen, denn der Komet wartete nicht. Unaufhörlich raste er weiter auf die Erde zu.
    »Ich weiß, du wirst es schaffen«, sagte Okumus zu seinem begabtesten Schüler. Die Arme des Lehrers ruhten auf den Schultern von Mark und Theresa.
    Leo atmete tief durch und nickte. Er war sich da nicht so sicher. Als er den älteren Freund umarmte, kamen ihm die Tränen. Theresa und Orla weinten gleich mit.
    Mark knuffte Leo spielerisch an den Arm. »Du bist der beste Traumwandler, dem ich je begegnet bin. Refi Zul muss sich warm anziehen.«
    »Er ist aus Stein.«
    »Das wird ihm auch nichts helfen.«
    Leo nickte dankbar und wandte sich Orla zu. Kaum trafen sich ihre Blicke, fiel sie ihm um den Hals und schluchzte: »Pass auf dich auf, hörst du? Ich will dich wiedersehen.«
    »Ich versprech’s. Gib inzwischen auf die Pillendose acht.«

    Sie küsste ihn auf beide Wangen, danach auf die Stirn und legte ihre rechte Hand auf seine linke Brust. »Das ist der Illúsische Gruß. Er bedeutet: Wohin auch immer du gehst, ich bin bei dir. Hier und hier.« Sie tippte mit dem Zeigefinger erst auf sein Herz, dann an seine Schläfe.
    Etwas unbeholfen drückte er seine Lippen auf ihren Mund und sagte leise: »Das ist der Leo-Gruß. Er bedeutet: Ich liebe dich.«
    Es kostete ihn große Überwindung, sich von ihr zu lösen. Sie machte es ihm auch nicht gerade leicht, weil sie sich mit beiden Händen an ihm festklammerte.
    Während er rückwärts in die Mitte der Drusenkammer trat, winkte er seinen Freunden ein letztes Mal zu. Dann drehte er sich um, dachte kurz nach und flüsterte: »Die Zukunft wünsch ich mir zu zweit, sie liegt in der Vergangenheit.«
    Als habe das Tor nur darauf gewartet, von seiner Schaffenskraft aufgestoßen zu werden, begannen die Kristalle augenblicklich zu funkeln. Wie aus dem Nichts ergoss sich ein Sturzbach verflüssigter Traumenergie auf den Oneironauten. Die Gischt spritzte bis in den Tunnel und das Wasser zerrte mit unbändiger Gewalt an Leos Beinen. Es war ihm unmöglich, in der reißenden Flut stehen zu bleiben und das durfte er auch nicht. Nur, wer loslässt, kann zurückkehren.
    Seine Gedanken waren bei Orla, als die Kraft von Milliarden Träumen ihn aus dem Hier und Jetzt fortschwemmte. Sie trug ihn mit sich durch Zeit und Raum. Allein sein Wille bewahrte ihn davor, sich im Meer der Unendlichkeit zu verlieren. Sein Traumauge blieb auf das Ziel gerichtet, während ihm jedes Gefühl für die Sekunden, Minuten und Stunden verloren ging. Vierzehn Jahrhunderte weit trieb er dahin, Tausende von Kilometern legte er zurück. Es schien, als sei eine Ewigkeit vergangen, als er endlich wieder festen Boden unter den Füßen spürte.
    Leo richtete sich auf und trat aus dem Wasserfall. Er wischte sich das Traumwasser aus den Augen und sah sich um. Hinter ihm ragten zwei große, achteckige Kristallsäulen auf. Dazwischen entsprang die Traumquelle. Als er die hohen Bäume um sich herum bemerkte und ein Stück weiter oben den Kraterrand, begann sein Herz heftig zu schlagen.
    Er stand im Feuerwald.
    Der Ort stimmte also. Aber war er auch zur rechten Zeit nach Rapa Nui zurückgekehrt? Das trübe Licht ließ jedenfalls darauf schließen. Er griff in die Jackentasche und holte die verspiegelte Brille heraus, die ihm Alan geschenkt hatte. Mit gewappneten Augen blickte er zum Himmel empor und erschrak.
    Die Sonne ging gerade über dem Vulkan auf. Der Mond verdeckt sie schon fast zur Gänze und vor beiden zog ein großer Asteroid vorüber. Jeden Moment konnte die Doppelfinsternis ihr Maximum erreichen. Er musste den versteinerten Traumwandler finden, und zwar sofort.
    Leo rannte auf den östlichen Kraterrand zu, wo die Strahlen der Morgensonne ihren Lauf nach Westen begannen. Als ihm keine Bäume mehr die Sicht versperrten, sah er die dunkle Rückseite einer kolossalen Steinfigur. Sie ragte bis weit über die Schultern aus dem Erdreich.
    »Matatoa«, flüsterte er den ältesten Namen von
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