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Das Geheimnis der versteinerten Traeume

Das Geheimnis der versteinerten Traeume

Titel: Das Geheimnis der versteinerten Traeume
Autoren: Ralf Isau
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Leo hatte sofort gewusst, was der Wächter meinte.
    Er lehnte den Kopf weit in den Nacken, um hinter sich die Wanduhr über dem Fenster des Kontrollraums abzulesen. Zwanzig Uhr zwölf. Höchste Zeit, die Menschheit von der Angst vor dem Globalen Killer zu erlösen. Als er nervös die ungeliebte DreamCap zurechtschob, trafen sich sein und Orlas Blick. Außer ihr war niemand im Labor.
    »Verkünstel dich nicht«, sagte sie und griff nach seiner Hand. »Du pustest das Ding vom Himmel und kommst zurück, verstanden?«

    Er zog eine Grimasse. »Eigentlich wollte ich noch eine Rundtour durch die Galaxis machen und mir ein paar Sternennebel ansehen.«
    »Sehr witzig.«
    »Weißt du noch, wie wir im Haus deines Ziehvaters saßen und du ihn fragtest, wo wir uns im Kampf gegen Refi Zul Rat holen können? Da hat er die neunundsechzig Wächter und die Doppelfinsternis erwähnt und du sagtest: ›Als Nächstes verlangst du noch von mir, einen Stern vom Himmel zu holen.‹ Ich habe ihn für dich ins All gesetzt und jetzt bringe ich dir ein Stück davon.«
    »Hauptsache, du kommst in einem Stück zurück. Alles andere ist unwichtig.« Sie schlug die Augen nieder und fügte leise hinzu: »Ich fühle nämlich genauso.«
    »Genauso wie wer?« Seine Nerven waren zu angespannt, um aus ihrer Andeutung schlau zu werden.
    Sie stöhnte. »Ich rede von dir, du Hornochse . Vorhin, als du das Drusentor geöffnet hast, da sagtest du …«
    »Ready for take-off«, meldete sich Marks Stimme aus dem Kontrollraum.
    Leo starrte Orla mit offenem Mund an. Sie liebt mich … ?
    »Hallo-o? Ich wäre dann so weit«, drängelte Mark.
    Orla ließ Leos Hand los und lächelte verlegen.
    »Ich schon lange«, antwortete er ohne rechte Überzeugung. Ausgerechnet jetzt musste er Orla verlassen.
    »Dann gute Reise, Oneironaut«, rief Mark und als wäre er die Mission Control im Space Center Houston zählte er rückwärts: »Zehn, neun, acht …«
    »Ich wache über dich, solange dein Traum-Ich da draußen ist«, versprach Orla leise.
    »… vier, drei, zwei …«
    Plötzlich erlosch der falsche Sternenhimmel. Schlagartig wurde
es stockdunkel. Nur das Geräusch der antriebslosen Lüfter in den Computern und der Klimaanlage war noch kurz zu vernehmen. Dann herrschte ein paar Sekunden lang betroffene Stille.
    »Verdammter Mist!«, erscholl Marks Stimme durchs Labor.
    »Was ist los?«, rief Orla.
    Leo meinte, sein Herz müsse zu schlagen aufhören. Er ahnte Schlimmes. Wütend streifte er sich die DreamCap vom Kopf, setzte sich auf und drehte sich um. Im Kontrollraum ging gerade eine Taschenlampe an. »Kein Saft«, antwortete Mark. Er öffnete die Klappe des Sicherungskastens an der rückwärtigen Wand. »Verdammt! Das is’n echter Blackout. Ein verdammter Stromausfall.«
    »Ruf beim Energieversorger an«, empfahl ihm Orla.
    »Ist nicht dein Ernst, oder? In dreieinhalb Stunden ist Weltuntergang. Die haben das Kraftwerk einfach laufen lassen und sind nach Hause gegangen.«
    »Dann wirf das Notstromaggregat an.«
    Marks Finger flogen über die Zifferntasten des Telefons. »Du siehst zu viele Krankenhausserien. Wir sind eine Schule . So was gibt’s hier nicht.«
    »Und wen rufst du an?«
    »Na, den Stromversorger.« Er lauschte einen Moment und knallte den Hörer auf den Apparat. »Ich hatte recht. Ist nur noch ein Anrufbeantworter dran: ›Tut uns herzlich leid. Besuchen Sie uns in der Hölle. Da heizen wir Ihnen ordentlich ein.‹«
    »Echt?«
    »Nee. Galgenhumor.«
    »Können wir einen Generator bauen?«, schlug Leo vor.
    Mark schüttelte den Kopf. »Zum Basteln fehlt uns die Zeit.«
    »Die meisten Bauern haben doch Motorgeneratoren. Besorgen wir uns da einen.«

    »Das ist alles zu unsicher, Leo. Hast du mal daran gedacht, dass nicht nur wir im Dunkeln sitzen. Bis ich jemanden finde, der für den Rest seines kurzen Lebens freiwillig auf Licht und Strom verzichtet, um es einem Fremden wie mir zu geben, könnten Stunden vergehen. Schlimmstenfalls halten sie mich für einen Plünderer und knallen mich ab.«
    Leo schüttelte verzweifelt den Kopf. Mark hatte recht. Wie ein Blinder streckte er seine Arme in die Dunkelheit aus. »Orla?«
    Im nächsten Moment spürte er, wie ihre Hände nach den seinen griffen. »Ich bin bei dir, Leo.«
    »Ich fürchte, wir müssen eine Szene überspringen und gleich zum letzten Akt kommen.«
     
    Im Kerzenlicht sah Osmund Okumus wie ein lebender Toter aus. Er hatte tiefe Augenringe und war immer noch sehr schwach. Im Rücken durch
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