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Das Geheimnis der Rosenkreuzerin

Das Geheimnis der Rosenkreuzerin

Titel: Das Geheimnis der Rosenkreuzerin
Autoren: Marie Klausen
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Teenager. Nach der etwa halbstündigen Unterredung verabschiedete sie sich mit professioneller Freundlichkeit, hinter der sie ihre Erschüt terung verbarg. Kaum hatte sie die Tür hinter der Lehrerin geschlossen, da kamen ihr auch schon die Tränen. Ihr Sohn urinierte ins Bett, und ihre Tochter schwänzte die Schule. Erfolgreicher konnte man in Sachen Erziehung kaum sein. Sie warf sich vor zu versagen. Wie gern würde sie jetzt nach Hause, zu ihren Kindern gehen. Eine so elementare Sehnsucht hatte sie in ihrem Leben noch nie empfunden. Aber nun begann erst einmal die reguläre Tagesschicht, die quälende zehn Stunden dauern würde. Wenn sie nach aufreibender Parkplatzsuche gegen 18 oder 18.30 Uhr ihre Wohnung betreten würde, blieb kaum noch Zeit, um die Probleme ernsthaft anzugehen. Sie un terdrückte einen Fluch. Wie sollte sie diesen Teufelskreis nur durchbrechen?
    Ein Blick auf die Uhr verriet ihr, dass Katharina jetzt für Benjamin und für sich selbst Frühstück machen und ihren Bruder anschließend in die Privatschule bringen würde. Was sie danach unternehmen würde, das wusste Marta seit heute Morgen nicht mehr. Ein Abgrund der Ratlosigkeit hatte sich vor ihr aufgetan. Den Impuls anzurufen, um ihre Stimmen zu hören, ließ sie verebben, denn sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Das Gefühl, dass ihre Kinder ihr langsam, aber unaufhaltbar entglitten, schnürte ihr die Kehle zu. Dabei schien die Lösung sehr einfach zu sein, sie benötigte einfach mehr Zeit.
    Als Chirurgin in der Unfallklinik für Kinder, die notorisch mit Ärzten unterbesetzt war, konnte sie davon allerdings nur träumen. Andererseits brauchte sie den Job und die bezahlten Überstunden, da ihr geschiedener Mann, der Schönheitschirurg Prof. Dr. Alexander Rubin, nur den vom Gericht festgelegten Satz zahlte. Nicht aus Armut oder Geiz, vielmehr aus Berechnung überwies er das Geld immer so spät wie möglich, außerdem nie vollständig, stets fehlte ein gewisser Betrag, den sie dann mühselig nachfordern musste. Rubins teurem Anwalt war es im Scheidungsprozess nicht gelungen, ihr das Sorgerecht zu nehmen. Nun versuchte ihr Exmann, mittels Zermürbungstaktik neue Fakten zu schaffen. Er wollte die Kinder – ganz gleich, welche Mittel er dafür anwenden musste – aus reinem Narzissmus. Sollte Katharina noch einmal den Unterricht schwänzen, hatte die Lehrerin gesagt, müsse sie das Jugendamt verständigen. Und das war genau das, worauf Prof. Dr. Rubin wartete. Er hatte eine unentrinnbare Falle aufgestellt. Und sogar ihre eigene Mutter stand auf der Seite ihres Exmannes. Es war ein Elend.
    Sie hielt inne, ging zum Waschbecken und blickte in den Spiegel. Das verheulte, aber immer noch mädchenhaft wirkende Gesicht einer vierundvierzigjährigen Frau starrte ihr daraus entgegen. Tränen waren in ihrem Alter einfach indiskutabel, entschied sie, und wusch sie weg. Ihr Verstand setzte ein, und sie tadelte sich wegen des hysterischen Ausbruchs. Schließlich existierte für alles eine Lösung, wenn man nur gründlich genug nachdachte und sich nicht dunklen Emotionen überließ. Ja, sie brauchte Zeit für ihre Kinder. Sie konnte nicht auf den Urlaub warten, in der Hoffnung, dann alles in Ordnung zu bringen, weil es dann vielleicht zu spät dafür war. Was nützte es, fremde Kinder zu retten, wenn ihre eigenen Kinder dafür den Preis bezahlten? Opferte sie ihrem Idealismus das Glück ihrer Kinder, wie ihr ihre Mutter beim letzten Streit vorgeworfen hatte? Auch dieser Vor wurf war nur eine andere Formulierung für den Hohn ihres geschiedenen Mannes, der vor dem Scheidungs richter böse behauptet hatte, dass sie selbstsüchtig selbst los wäre. Sie griff zum Telefon, um Katharina ans Herz zu legen, in die Schule zu gehen. Auch wenn das vermutlich nicht zum Erfolg führen würde, wollte sie nichts unversucht lassen. Auf einen kleinen Disput am Telefon hatte sie sich eingestellt, nicht aber darauf, dass sie beim Anrufbeantworter landen würde, weil Katharina entweder mit Benjamin schon aufgebrochen war oder einfach nicht ans Telefon ging. Sie legte den Hörer auf. Es klopfte an der Tür. Frech, verspielt, unbekümmert. Sie wusste, wem der grazile Fingerknochen, der an die Tür getrom melt hatte, gehörte. So klopfte nur einer an. Deshalb ver steckte sie noch den kleinsten Rest einer Gefühlsre gung hinter einem gleichmütigen Gesichtsausdruck. »Herein«, rief sie kühl.
    Karl betrat den Raum, wie einer Arztserie des deutschen Fernsehens entstiegen:
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