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Das Geheimnis der Rosenkreuzerin

Das Geheimnis der Rosenkreuzerin

Titel: Das Geheimnis der Rosenkreuzerin
Autoren: Marie Klausen
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Lichtstrahlen der Laternen Haschen. Die Luft war feucht, zu feucht, als dass die weiße Pracht liegen bleiben würde. Sie blickte noch einmal zu den Fenstern ihrer Wohnung hinauf. Das Licht im Zimmer der Tochter erlosch. Wahrscheinlich würde sie Benjamin leise noch eine kleine Geschichte erzählen, bevor auch sie weiterschlafen würde. Beim Einsteigen in ihren VW Polo nahm sie sich vor, mit Katharina ein ernstes, ein Gespräch von Frau zu Frau zu führen. Aber wie oft hatte sie das im letzten halben Jahr schon tun wollen und es schließlich doch immer wieder verschoben. Als sie losfuhr, wurde sie kurz durch Scheinwerfer im Rückspiegel geblendet. »Noch ein Nachtschneeanbeter«, sagte sie mit einem Lächeln zu sich selbst. Anscheinend war sie nicht die Einzige, die zu so später oder so früher Stunde unterwegs sein musste.
    Während sie fuhr, ging ihr der seltsame Traum nach. Sein Inhalt war ihr so fremd, dass sie sich irritiert fragte, woher er kam. Er stimmte mit nichts überein, was sie jemals gesehen, gehört, gelesen oder gar erlebt hat te. Bis zu diesem Alp war ihr nicht einmal bekannt, dass es im Mittelalter ein Pogrom gegen die Juden in Straßburg gegeben haben sollte. Auch die Namen, die ihr im Schlaf so geläufig gewesen waren, sagten ihr im Wachen nichts. Wie also kamen diese Bilder in ihr Unterbewusstsein? Oder genauer: Woher stammten sie? Irgendetwas stimmte mit ihr nicht. Übermüdung? Sie gab sich alle erdenkliche Mühe, dieser Erklärung Glauben zu schenken. Dagegen sprach allerdings, dass der Traum in seinem Detailreichtum ihr eher wie ein Film vorkam, den jemand in ihrem Gehirn abgespielt hatte und an den sie sich jetzt erinnerte.
    In der Klinik angekommen, ging alles sehr schnell, Einweisung in den Fall des vierjährigen Mädchens, dessen Leben am seidenen Faden hing, Anziehen der OP-Sachen, Desinfektion und Anästhesie. Marta schaute auf das blasse Gesicht des Kindes. Dann ließ sie sich von der OP-Schwester das Skalpell geben. Alles, was nicht mit der Operation in Zusammenhang stand und sie bis eben noch beschäftigt hatte, war restlos ausgelöscht. Die Müdigkeit hatte einer stählernen Konzentration Platz gemacht.
    Als Marta drei Stunden später vollkommen geschafft und durchgeschwitzt den OP-Saal verließ, leuchtete die Sonne bereits durch die hohen Krankenhausfenster, brach ein neuer Tag an, auch für das vierjährige Mädchen, das Dank ihr weiterleben würde.
    Marta freute sich schon auf eine heißkalte Dusche, während sie dem mit weißen und roten Kacheln gefliesten Klinikflur folgte. Aber die Erfüllung dieses Wunsches musste sie erst mal verschieben. Denn vor ihrem Dienst zimmer erwartete sie eine Frau, Mitte dreißig, streng gescheiteltes Haar mit einer ovalen Brille, Katharinas Klassenlehrerin. Der frühe Besuch konnte nichts Gutes bedeuten. Mit klopfendem Herzen ging Marta auf sie zu. Plötzlich fühlte sie wieder das Blei in den Knochen, diese verfluchte Müdigkeit, die ihr Leben zu beherrschen begann, als flöße ihr jemand pausenlos Valium ein.
    Mit professionellem Lächeln hielt sie auf die Besucherin zu. Ihre zielstrebigen Schritte hallten energisch. »Guten Morgen, Frau Hiller, was führt Sie zu mir?«
    Der Lehrerin war sichtlich unangenehm, was sie ihr mitzuteilen hatte. »Was soll ich lange um den heißen Brei reden. Wissen Sie, dass Ihre Tochter die Schule schwänzt?«
    Die Mitteilung traf Marta wie ein Schlag in die Magengrube. Sie mobilisierte all ihre Selbstbeherrschung, um sich nichts anmerken zu lassen, und bat die Lehrerin in ihr Zimmer.
    Auf dem grünen Linoleumboden stand ein einfacher Holzstuhl hinter einem weiß gestrichenen Schreibtisch, auf dem sich der übliche Computer langweilte. Davor waren zwei mit braunem Kunstleder bezogene Polsterstühle postiert. Eine Liege und ein Arzneischrank komplettierten den spartanisch eingerichteten Raum. Keine Pflanze zierte das Fensterbrett, im Grunde enthielt das Zimmer nichts Persönliches.
    Dass die Lehrerin auf dem Patientenstuhl saß, half Marta zumindest äußerlich, sich gelassen zu geben. Sie ließ sich alle Fehltage Katharinas aufzählen und die Veränderung, die mit ihrer Tochter vorging, minutiös beschreiben. Überraschung empfand sie nicht, denn alles, was die Lehrerin schilderte, beobachtete auch Marta an ihr, ohne es sich freilich eingestehen zu wollen. Es stimmte sie nur unendlich traurig. Beim Zuhören verwandelte sich ein fröhliches und freundliches Mädchen zusehends in einen düsteren und ruppigen
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