Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Geheimnis der chinesischen Vase

Das Geheimnis der chinesischen Vase

Titel: Das Geheimnis der chinesischen Vase
Autoren: Stefan Wolf
Vom Netzwerk:
hatte
dann wieder geheiratet. Aus dieser Verbindung war die kleine Barbara
hervorgegangen.
    Um diese Nachmittagsstunde
befand sie sich im Garten. Jedenfalls immer bei so mildem Wetter wie heute.
    Max Schaudig war alles bekannt:
Die Zeit, der Standort des Kinderwagens unter einer Schatten spendenden Tanne
gegenüber dem Hauseingang, auch die Tatsache, dass Katharina Eichberg (die
Mutter) oder Karin (die Stiefschwester) nur hin und wieder nach Barbara sahen.
    Was aber das Beste war: In dem
baum- und strauchreichen Grundstück konnte er sich ungesehen nähern. Nur die
letzten Meter waren riskant.
    Er hielt bei der Hecke.
    Sein Wagen war klein, staubig
und unauffällig.
    Er schaltete den Motor aus.
Verzerrt grinste er sich im Rückspiegel an.
    »Behalt die Nerven, Mäxchen!«,
sprach er zu sich. »Wirst schon sehen: Es klappt.«
    Er stieg aus, rückte an seiner
Sonnenbrille und blickte die Straße entlang. Niemand war zu sehen — auch kein
parkender Wagen. Nur Hecken und Mauern — und dahinter die Paläste der Reichen.
    Er schlüpfte durch die
Einfahrt. Hinter einem Goldregenstrauch verhielt er.
    Er zog einen abgeschnittenen
Damenstrumpf aus der Tasche und zerrte ihn über den Kopf. Das Gewebe quetschte
ihm die Nase breit und verzog seine Lider. Aber es machte unkenntlich und er
sah genug.
    Eine Million Mark!, dachte er.
So viel werden wir fordern.
    Geduckt pirschte er hinter den
Büschen zur Villa.
    Um ihn war Stille, nur das
Summen der Bienen. Auf der Wiese zwischen Hecke und Swimmingpool drehte sich
ein Rasensprenger. Die Tropfen funkelten im Sonnenlicht.
    Vorsichtig drückte er Zweige
beiseite. Nur noch wenige Meter trennten ihn von dem Kinderwagen.
    Er war dunkelrot, ein
Luxusmodell.
    Als Schaudig sich aufrichtete,
sah er das Baby.
    Barbara strampelte mit nackten
Beinchen und gab glucksende Laute von sich. Sie fühlte sich wohl.

    Schaudig spähte zum Haus.
Niemand. Behutsam nahm er das Baby aus dem Wagen. Er drückte es an sich, schob
eine schriftliche Mitteilung unter das Kopfkissen und hetzte zurück. Ungesehen
erreichte er die Straße.
     
    *
     
    Sie radelten durch die Stadt.
Ihr Ziel war die Bismarckstraße. Gaby kannte nicht nur Karin Eichberg, sondern
auch deren Adresse und war einmal, mit anderen vom Schwimmklub, dort gewesen.
Tarzan hatte den Namen zum ersten Mal gehört.
    Jetzt lag das Verkehrsgewühl
hinter ihnen. Ein breiter Boulevard ließ es zu, dass sie nebeneinander fuhren.
    »Karin besucht die
Mädchenschule«, erzählte Gaby. »Letztes Jahr ist sie kleben geblieben. Aber
gewiss nicht aus Dummheit. Sie ist irgendwie trotzig. Hat auch gesagt, dass sie
sich mit ihrer Stiefmutter nicht besonders versteht.«
    »Ist die ekelig?«
    »Das nicht. Soweit ich die
Situation beurteilen kann, liegt es mehr an Karin. Sie wollte wohl nicht, dass
ihr Vater nach dem Unfalltod der Mutter nochmal heiratet. Aber weil sie ihren
Papi anhimmelt, hasst sie ihre Stiefmutter.«
    »Dann spielt sicherlich auch
Eifersucht mit.«
    »Du triffst den Nagel auf den
Kopf. Für Karin ist die Stiefmutter ein Eindringling. Karin will ihren Papi für
sich allein. Deshalb ist sie gegen die Stiefmutter.«
    »Unvernünftig!«, tadelte
Tarzan. »Schließlich sind das zwei verschiedene Hüte. Was ein netter Mann ist,
der verehrt seine Frau und verhätschelt die Tochter. Und alle drei sind happy.«
    »Donnerwetter! Du wirst ja mal
ein toller Familienvater.«
    »Aber nicht so bald.«
    »Mein Papi ist auch immer
wahnsinnig nett zu meiner Mami.«
    »Das merkt man sofort.«
    »Und ich verstehe mich prima
mit ihm — mit beiden, wie du weißt. Aber verhätschelt werde ich nicht.«
    Tarzan räusperte sich.
    »Wie bitte?«
    »Ich habe nichts gesagt.«
    »Aber was Blödes gedacht, du
Esel! Ich fahre dir gleich in die Speichen. Unerhört! Ich bin nicht
verhätschelt.«
    Tarzan grinste gutmütig. »Hast
eigentlich Recht. Dich zu verhätscheln, wäre erzieherisch falsch. Das würde ich
deinen tollen Eltern nie vorwerfen. Aber sie tun natürlich eine Menge für ihr
einziges Töchterchen.«
    »Das hört sich schon anders
an«, meinte Gaby zufrieden. »Im Übrigen: Falls ich später mal heiraten sollte,
erwarte ich von meinem Mann, dass er mich verehrt. Und zwar zeitlebens. Mit 90
genauso wie mit 25.«
    »Der arme Kerl.«
    »Waaas?«, fauchte sie.
    »Ich meinte das nicht in Bezug
auf deine Person«, rief er schnell.
    »Sondern?«
    »Ach, ich habe mir nur
vorgestellt, wie er als 90-Jähriger dir jeden Wunsch von den Augen abliest und
dich trotz seiner
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher