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Das Geheimnis der chinesischen Vase

Das Geheimnis der chinesischen Vase

Titel: Das Geheimnis der chinesischen Vase
Autoren: Stefan Wolf
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und heilig. Dann erzählte Hempel umständlich und unergiebig von
jugendlichen Langfingern. Wie sie stahlen. Was sie stahlen. Weshalb sie —
seiner Meinung nach — stahlen.
    Er nannte Namen und Adressen.
Aber ein toller Fall war nicht dabei.
    Noch nicht. Denn das Beste hob
er sich auf.
    »Der schärfste Hammer«, meinte
er schließlich in krausem Halbstarken-Jargon (Sondersprache), »ist mir
gestern passiert. Dachte, mich laust ein Eskimo, als ich den Käfer erwischt
habe. Sie ist süße 17 und ihr Alter macht die meiste Kohle (Geld) weit
und breit. Als Industrieller. Stellt irgendwelche Maschinen her. Ist Millionär,
mindestens. Und seine Tochter klaut. Ich fasse es nicht.«
    »Sie hat bestimmt einen
Namen!«, erinnerte Tarzan.
    Hempel grinste. »Karin
Eichberg.«
    »Was?«, rief Gaby. »Die Karin?«
    »Du kennst sie?«, forschte
Hempel.
    »Aus dem Schwimmklub. Sie
schwimmt Brust, ich schwimme Rückenkraul.«
    Hempel grinste noch breiter und
hatte irgendeine ungehörige Bemerkung auf der Zunge, sah aber in diesem Moment
Tarzan an, und dessen Blick warnte.
    »Sehr schön«, meinte Hempel.
»Ich bin früher auch gern geschwommen. Jetzt dusche ich nur noch.«
    »Was hat Karin Eichberg
gestohlen?«, fragte Tarzan.
    »Das ist ja das Ulkige. Drei
Lippenstifte und fünf Garnituren Herrenunterwäsche.«
    »Herrenunterwäsche?«
    »Ja. Sogar Unterhosen mit
langem Bein. Größe 58. Da passt ein Herkules rein. Bin mir ziemlich sicher: Sie
hätte für die Beute nicht die geringste Verwendung gehabt. Auch für die
Lippenstifte nicht. Sie ist so ein Augentyp, dem Lidschatten und Wimperntusche
stehen, der sich aber den Mund nicht anmalen darf, weil’s dann der Farbe
einfach zu viel ist.«
    »Stimmt!«, nickte Gaby. »Aber
weshalb hat sie gestohlen?«
    »Ich vermute: des Diebstahls
wegen. Sie hat sich so dumm angestellt, dass sie auffallen musste.
Wahrscheinlich will sie ihre Eltern ärgern. So nach dem Motto: Geschieht denen
recht, dass ich ein Früchtchen bin.«
    »Das ist was für uns«, sagte
Tarzan. »Ich ahne einen psychologischen (seelenkundlichen) Hintergrund.«
    Gaby nickte und hob den Deckel
ihres Teekännchens ab, um zu sehen, ob noch was drin war.
    »Wurde sie angezeigt?«, fragte
Tarzan.

    Hempel verneinte. Wegen des
einflussreichen Herrn Eichberg hätte die Kaufhausdirektion keinen Staub
aufgewirbelt, sondern ihn unter den Teppich gekehrt, also auf Anzeige
verzichtet und nur ein Hausverbot ausgesprochen. »Aber natürlich wurden die
Eltern verständigt.«
    »Wir werden uns mit Karin
unterhalten«, sagte Tarzan. »Vielen Dank, Herr Hempel, für das Interview.«

3. Ein Baby verschwindet
     
    Die Sonne hatte ihre schönsten
Strahlen reserviert für die Pinke-Pinke-Allee.
    So hieß die Bismarckstraße im
Volksmund, denn hier wohnten die Reichsten der Reichen.
    Villen glänzten in parkgroßen
Gärten. Teure Chromschlitten, gewaschen und poliert, standen in oder vor den
Garagen. Es war kirchenstill. Sogar die Singvögel wahrten die Mittagsruhe. Und
der laue Sommerwind bewegte das keimfreie Wasser in den zahlreichen
Swimmingpools (Schwimmbecken).
    Schaudig fühlte sich beklommen,
als er sein Auto durch die menschenleere Straße lenkte. Er hieß Max mit
Vornamen und war 39 Jahre alt.
    Schweiß glänzte auf seinem
schmalen Gesicht. Er sah nicht unflott aus, aber etwas verschlagen: mit
unsteten, kohlschwarzen Augen. Er hatte dunkles Haar, das mindestens zehn Gramm
Frisiercreme enthielt, und Bartkoteletten, die sein Gesicht einrahmten.
    Er war unterwegs, um ein Kind
zu rauben.
    Sicherlich — das sieben oder
acht Monate alte Baby würde keinen Widerstand leisten. Und wenn es noch so sehr
strampelte — damit konnte man fertig werden. Aber die Tat an sich war
gefährlich. Deshalb hatte er Muffensausen (Herzklopfen).
    Kidnapping (Kindesraub) — das
Wort lastete schwer in seiner Vorstellung. Aber jetzt gab’s kein Zurück. Der
Chef hatte alles ausbaldowert (auskundschaften). Es musste klappen.
Außerdem brauchten sie Geld. Viel Geld! Lösegeld! Und dieser Eichberg war
unheimlich reich. Weiß Gott hätte der sich mehr als zwei Kinder leisten können.
Stattdessen wäre es beinahe bei einem geblieben, denn die Karin Eichberg war ja
schon 17 und das Baby Barbara mit gewaltigem Zeitabstand zur Welt gekommen.
    Wegen der zweiten Frau, dachte
Schaudig.
    Über die Eichbergs wusste er
genauestens Bescheid. Das gehörte zum Plan.
    Karins Mutter, die erste Frau
Eichberg, wusste er, war vor drei Jahren tödlich verunglückt. Eichberg
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