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Das Geheimnis der Burgruine

Titel: Das Geheimnis der Burgruine
Autoren: Stefan Wolf
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Stoß erfahren. Er ist um einen halben Meter verrutscht und gibt nun den Eintritt in die Unterwelt frei, die Pforte zu den Katakomben - ja, zu unterirdischen Höhlen und Gängen, wo Altvordere ihre Toten bestattet haben. Nun ist auch Baldur bei ihnen. Aber zunächst war er der Verwegenste von uns, stieg als Erster hinab und kehrte mit der Mut machenden Botschaft zurück, dass man dort unten atmen könne. Denn es gibt dort schmale Felsschächte zur Oberwelt, die sich an der Oberfläche zu völliger Unauffälligkeit verengen. In der gerölligen Landschaft ist das noch nie jemandem aufgefallen. Vor fremden Blicken haben wir den Einstieg mit Buschwerk geschützt. Doch kein Tag verging, an dem wir nicht, ausgerüstet mit Grubenlampen und Seilen, die Unterwelt erkundet haben. Schaurig, die vielen Skelette. Gefährlich, die labyrinthartigen Seitengänge, die unterirdischen Klüfte und Wasserläufe. Doch nichts konnte uns abhalten. Dann sind wir auf die Schatzkammer gestoßen. Eine runde Höhle von der Größe eines Klassenraums. Viele Truhen und Kisten stehen dort, angefüllt mit einmaliger Pracht, mit Goldschmuck und Juwelen. Wir vermuten, dass es die Beute der Ritter von ihren Kreuzzügen ins Heilige Land ist. Wir waren geblendet. Aber wir haben nichts angerührt. Denn nur das Abenteuer ist uns wichtig, nicht schnöder Mammon (Besitz) . - Auf dem Rückweg vor neun Tagen geschah es dann. Ich, Gottfried, war vorn, Waldemar in zweiter Position. Baldur, eine Seillänge hinter uns, hörte als Erster das Knacken und Bersten im Gestein über uns. Er schrie. Denn der Gang stürzte ein. Aber nur an einer Stelle - direkt über Baldur. Im Licht unserer Grubenlampen sahen wir, wie er zerschmettert wurde, von Felsstücken, groß wie Pianos. Er schrie nur einmal. Dann war er ausgelöscht und begraben für immer unter mörderischem Gestein. Wir sind hinausgeflohen, krank vor Entsetzen. Keine Hilfe war möglich. Nichts ließ sich ändern. Wir fühlten uns schuldig. Und wir schworen bei unserer Blutsbrüderschaft, wir wollten Stillschweigen bewahren. Und daran halten wir uns. Der Gang zur Schatzkammer ist verschüttet, hermetisch verschlossen bis obenhin. Und Baldurs Geist wacht dort, davon sind wir überzeugt, dass niemand vordringe zu Schmuck und Geschmeide.
    Tim atmete tief durch, bevor er den letzten Briefbogen umwendete.
    Wir haben den Einstieg verschlossen , las er weiter. Ein Flaschenzug war dazu nötig. Aber schließlich brachten wir den ›Opferstein‹ als uneinnehmbare Pforte über den Eingang zur Unterwelt. Und so soll es bleiben. An der Oberfläche haben wir die Landschaft abgesucht, aber nirgendwo Spuren vom Einsturz bemerkt. Stattdessen haben wir weitere Spalten von den Luftschächten entdeckt. Sie setzen sich fort Richtung Stadt und zeigen den Verlauf der unterirdischen Gänge an. Eine gesamte Länge von etwa zwei Kilometern. Dahinter lassen sich keine Luftschächte mehr finden. Gibt es eine nördliche Pforte in diese Unterwelt? Vieles spricht dafür. Aber wir wollen es nicht wissen, denn dieses Abenteuer hat für uns keine Fortsetzung. Zu groß ist die Trauer um unseren Blutsbruder Baldur und zu groß unser Schuldgefühl.
    Das Dokument trug zwei krakelige Unterschriften: Gottfried von Geiserling, Waldemar Semrich.
    Und ein PS (Postskriptum = Nachschrift) , offensichtlich von Gottfried.
    Hoffentlich kann ich mich überwinden, mein Tagebuch, das ich mit Leidenschaft führe, zu vernichten. Denn dort habe ich alles festgehalten, was auch hier steht.
    Tim legte das letzte Blatt aus der Hand, stützte den Kopf in die Hände und massierte die Schläfen.
    Mannomann! Das durfte nicht wahr sein! Ein Samstagmorgen im Herbst - und diese Entdeckung! Niemand ahnte auch nur, dass es Katakomben gab unter der Ruine.
    Der TKKG-Häuptling verstaute die Briefbögen im Umschlag, stand auf und verließ die Bibliothek. Tintenfisch und Krake waren jetzt nicht mehr wichtig.

2. Die Spur der Ratte
    Er hatte seinen Großvater Gottfried von Geiserling nicht mehr kennengelernt. Das ersparte dem alten Herrn viel Kummer. So gesehen war es ein Glück, dass Gottfried, 83-jährig, ein Jahr vor der Geburt des unguten Enkels Beinhart - er wurde tatsächlich so getauft - das Zeitliche segnete.
    Schon Beinharts Vater Heinrich hatte sich als Schandfleck der ehemals ehrbaren Familie erwiesen, war in seiner Jugend als
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