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Das Geheimnis der Burgruine

Titel: Das Geheimnis der Burgruine
Autoren: Stefan Wolf
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Jahrhunderten die Zeit stehen geblieben.
    Fast ehrfürchtig bückte er sich. Als er den Schlüsselanhänger aufhob, gewahrte er den Spalt in der Holztäfelung. Direkt über der kleinen Kugel. Hatte sie ihn absichtlich darauf aufmerksam gemacht?
    Der Spalt war etwa 20 Zentimeter hoch und zwei Finger breit, dahinter graues Mauerwerk. Aber nicht nur. Die Kante eines braunen Umschlags ragte hervor.
    Für einen Moment spürte Tim Schmetterlinge im Bauch. Dann zog er den Umschlag behutsam aus seinem Versteck.
    Der TKKG-Häuptling sah sofort: Ein Umschlag dieser Art war ihm noch nie in die Finger gekommen.
    Das dicke Papier fühlte sich an wie gewachst, war steif und stabil und offenbar sehr alt. Die Lasche war mit einer metallischen Krampe verschlossen. Tim fühlte den Inhalt.
    Eine Entdeckung!
    Er steckte den Schlüsselanhänger in die Hosentasche, rückte den Schrank an seinen Platz zurück, ging zu einem der Lesetische und setzte sich.
    Der Umschlag war auf keiner Seite beschriftet. Tim öffnete ihn und zog mehrere Seiten vergilbten Papiers hervor. Briefbögen. Sie waren mit blauer Tinte beschrieben, in einer Schönschrift, wie sie vielleicht vor 100 Jahren üblich gewesen war.
    ... und mit der Schätzung, dachte er, liege ich verdammt richtig.
    Er hatte das auf Seite 1 prangende Datum entdeckt.
    16. September 1902
    Wow!
    Tim lehnte sich zurück. Ein Brief aus einer anderen Zeit. Damals war Tims Urgroßvater ein Jüngling gewesen.
    Zweifellos hatten Schüler - einer oder mehrere - vor mehr als 100 Jahren diesen Brief verfasst. Welches bittersüße Geheimnis würde die blaue Tintenschrift offenbaren? Vielleicht einen Liebeskummer, über den man sich heutzutage nur beölen konnte?

    Tim begann zu lesen.
    Zu wem auch immer , las er, diese Zeilen sprechen werden - wir, mein Blutsbruder Waldemar Semrich und ich, Gottfried von Geiserling, hoffen, dass es erst in ferner Zukunft sein wird. Denn unser Geheimnis ist tödlich. Gleichwohl können wir nicht für alle Zeit darüber schweigen. Daran würden wir ersticken. Und eine ferne Zukunft stellt keine Bedrohung für uns dar. Wer weiß, wohin des Schicksals Mächte uns dann geführt haben. Wir sind 14 Jahre alt und Schüler dieser renommierten Heimschule. Wir sind der Klub der Verschworenen und haben das Abenteuer auf unser Panier (Fahne) geschrieben. Wir waren zu dritt, aber unser Blutsbruder Baldur Majowski ist jetzt tot. Und nur wir wissen das. Dieses Wissen lähmt uns den Atem - indes, wir dürfen nichts äußern, weil wir mitschuldig sind. Seit neun Tagen gilt Baldur als vermisst. Die Polizei hat uns vernommen, doch wir sind geschickte Lügner. Alle rätseln. Viele sind traurig. Baldurs Eltern, die sofort angereist sind, geben die Hoffnung nicht auf. Aber Baldur ist tot. Es hätte auch uns treffen können. Verflucht seien die Burgruine Rabenfels und ihre unterirdischen Katakomben. Von denen außer uns niemand weiß.
    Tim hob den Kopf, verblüfft von dieser Eröffnung.
    Die Burgruine Rabenfels liegt etwa zwei Kilometer westlich der Zubringerstraße, mit der Internatsschule und nahe Großstadt verbunden sind - und nur drei Kilometer südlich der Stadtgrenze.
    Rabenfels war eine kleine spätmittelalterliche Festung gewesen, erbaut um 1450 von Kurfürst Otto dem Einfältigen. Die Ruine liegt auf einem Hügel in der Weite der flachen Landschaft und ist jetzt umgeben und überwuchert von Wald. Nur wenige Mauern stehen noch. Für Historiker und Heimatforscher ist Rabenfels völlig uninteressant. Aufgrund des wehrtechnischen Nutzens der Anlage hat man lediglich bestätigt gefunden, dass Otto der Einfältige tatsächlich einfältig gewesen sein muss. Um nicht zu sagen: ein Idiot.
    Tim las weiter.
    Vor einem Monat hat die Erde gebebt. Wie wahr - es gab hier ein Erdbeben. Aber keine Person hat leiblichen Schaden genommen. Nur die Risse in den Mauern zahlreicher Häuser zeugen davon - und die Veränderung in der Burgruine. Wir sind häufig dort und bemerkten es daher sofort. Das Erdbeben hatte den ›Opferstein‹ - wie wir ihn nennen - verschoben. Das ist der altargroße, behauene, weißfleckige Fels, der in der nordwestlichen Ecke der aneinanderstoßenden Begrenzungsmauern breit und mächtig den Winkel ausfüllt. Den Mauern hat das Erdbeben keinen Schaden zugefügt. Aber der ›Opferstein‹ hat offenbar einen gewaltigen
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