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Das Geheimnis der Burggräfin - Roman

Das Geheimnis der Burggräfin - Roman

Titel: Das Geheimnis der Burggräfin - Roman
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag <München>
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Bachbett, neben dem der Pfad einherlief. Der Bach, jetzt im Sommer nur noch ein Rinnsal,
bildete eine schmale Senke zwischen dem Buchenfels und dem Mittelberg gegenüber.
    Angespannt spähte Prosperius den Pfad entlang und lauschte. Als er niemanden sah, und das leise Murmeln der Bäume, die Rufe der Vögel und das Plätschern der Quelle, die den Bach speiste, die einzigen Geräusche waren, die er hörte, schlüpfte er auf den Pfad. Eichen, Buchen, Bergahorn und hohe Tannen schlossen ihre Wipfel über ihm zu einem Dach zusammen, und nur wenige Sonnenstrahlen fielen auf den weich gepolsterten Waldboden.
    Prosperius folgte dem Pfad in südlicher Richtung. Vorsichtshalber hielt er sich nah an der zum Bachbett abfallenden Böschung, damit er sich notfalls im dichten Uferbewuchs verstecken könnte. Doch als er geraume Zeit später auf einen breiteren Karrenweg stieß, der den Pfad kreuzte, schien er noch immer die einzige Menschenseele im Wald zu sein, und es war nicht nötig gewesen, dass er sich heldenhaft in die Brennnesseln am Bachufer stürzte.
    Wieder blieb Prosperius stehen und spähte unschlüssig um die Ecke. Bis jetzt hatte er Glück gehabt. Doch das Dorf war nicht mehr weit entfernt, und er musste auf den Karrenweg nach Westen einbiegen, der geradewegs nach Egininkisrod führte, um zu seinem Ziel zu gelangen. Rechter Hand stieg das Gelände zum Mittelberg steil an, und das Unterholz zur Linken des Wegs schien undurchdringlich. Eine Möglichkeit, sich rasch zu verstecken, schien es hier nicht zu geben. Einen Spatzenflug vom Dorfrand entfernt, würde der Mittelberg sich jedoch zu den Fischteichen hin abflachen, die die Dörfler außerhalb von Egininkisrod angelegt hatten. Dort würde er den Weg verlassen und sich im Schutz der hohen Gräser am Ufer der Tümpel entlangbewegen können, beschwichtigte er sich, während er in den Karrenweg einbog. Hinter den Teichen auf einer Waldlichtung
sollte der Jude mit seinen Leuten lagern, hatte der Burggraf gesagt.
    Knapp hundert Schritte vor Prosperius machte der Weg eine Biegung, und kaum hatte er die Hälfte davon überwunden, verließ ihn sein Glück.
    Undeutliche Rufe drangen an sein Ohr. Stimmen wurden laut, die rasch auf ihn zukamen.
    Für einen Moment spürte der junge Schreiber seinen Herzschlag wild in der Kehle pochen, bevor das unstete Organ in seine Kniekehlen zu rutschen schien und seine Beine butterweich machte. Gehetzt sah er sich um. Doch weder rechts noch links schien das Gelände zu einem Zugeständnis an seine missliche Lage bereit. Da gab’s kein Durchkommen.
    Schon wollte Prosperius kehrtmachen, um zu dem Pfad zurückzurennen, den er gekommen war, als ihm am Wegrand zu seiner Rechten ein Einschnitt im aufragenden Mittelberg ins Auge fiel. Die Kerbe im baumbewachsenen Felsgestein war nur ein paar Armeslängen von ihm entfernt.
    ›Süßer Jesus! Die Höhle der Heiligen Liutbirg‹, fuhr es ihm durch den Kopf, während er schon vorwärtsrannte.
    »Bruder Adelbald!«, hörte er deutlich eine der Stimmen rufen, als er sich in die Mulde warf, die neben dem Weg wie eine hohle Hand in den Felsen eingemeißelt schien.
    Der Eingang zur Höhle lag nur noch ein paar Schritte vor ihm. Die Öffnung reichte ihm bis zur Brust, und ein grob gezimmerter Bretterverschlag, der als Tür diente, stand einen Spaltbreit offen.
    »Bruder Adelbald!«
    »Bruuuu – deeeer Aaaaaadel – baaaaald!«
    Prosperius warf einen raschen Blick über seine Schulter zurück, doch die Rufer hatten die Mulde noch nicht erreicht. Mit fliegender Hast zerrte er an dem Verschlag.
Die Witterung hatte das Holz verzogen, und es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis es seinen zitternden Fingern gelungen war, das Brettergebilde ein paar Handbreit weiter zu öffnen.
    »Adelbald!«
    »Wo steckt er nur?«
    Für einen Augenblick schienen die Stimmen dicht hinter ihm zu sein, dann hatte er sich auch schon geduckt und seinen schmalen Körper durch den halb offenen Verschlag gezwängt.
     
    Feuchte Kälte schlug Prosperius wie eine Faust entgegen, und die unvermittelte Finsternis war überwältigend. Blind stolperte er ein paar Schritte vorwärts, bis die Felsendecke jäh über ihm zurückwich und der Höhlengang sich zu einer kleinen Felsenkammer verbreiterte, in der er aufrecht stehen konnte. Stille umfing ihn, als hätte es die Rufer draußen nie gegeben.
    »Allmächtiger!«, ächzte er. Seine Stimme klang hohl und hallte in der Dunkelheit wider. Er schlotterte vor Kälte.
    Als sich seine Augen endlich
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