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Das Geheimnis der Burggräfin - Roman

Das Geheimnis der Burggräfin - Roman

Titel: Das Geheimnis der Burggräfin - Roman
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag <München>
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bequemten, mit dem spärlichen Lichteinfall durch den Eingang vorliebzunehmen, sah er sich ängstlich um.
    Der schmale Streifen Tageslicht erhellte nur einen kleinen Teil der gewölbten Wände, in deren marmorweißen, schwefelgelben und perlmuttfarbenen Oberflächen ein irre gewordener Steinmetz bizarr geformte Eiszapfen und schmelzenden Schnee eingemeißelt zu haben schien. Eine Öffnung, schwarz wie der Schlund zur Hölle, klaffte in der Wand gegenüber dem Einlass. Dort führte ein Gang tiefer in den Berg hinein zu Liutbirgs Höhlenklause.
    Einen Moment lang überlegte Prosperius, ob er es wagen sollte, dem Gang ohne Licht zu folgen, entschied sich
jedoch schaudernd dagegen. Nein, er würde einfach eine Zeitlang am Eingang warten. Nach einer Weile könnte er dann nachsehen, ob die Luft wieder rein wäre. Die Mulde lag tiefer als der Weg, und solange er hinter dem Holzverschlag blieb, würde man ihn nicht entdecken, selbst wenn jemand am Wegrand stehen blieb und in die Mulde schaute. Außerdem konnte er sich auch rasch wieder in der Felsenkammer verstecken.
    Entschlossen kehrte er zum Eingang zurück, setzte sich mit angezogenen Beinen dicht hinter den Bretterverschlag und spähte durch den Spalt nach draußen.
     
    Geduld zählte nicht zu Prosperius’ Tugenden. Die Zeit tröpfelte so zäh dahin, wie sich hinter ihm an den Höhlenwänden die Feuchtigkeit sammelte, um dann mit einem leisen »Pling« zu Boden zu fallen. Obwohl er so nah am Eingang saß, nur einen Steinwurf von der Sommerhitze entfernt, kroch die Kälte des Gesteins rasch in seine Glieder. Um sein Elend vollkommen zu machen, begann auch sein Magen zu rumpeln. Das Mahl zur Sext aus fadem Wurzelgemüse und trockenem Hirsebrot, das die sauertöpfische Ingild auf der Burg kredenzt hatte, schien schon eine Ewigkeit zurückzuliegen. Sehnsüchtig dachte er an die köstlich gewürzten Eintöpfe, die Filiberta, die Magd der Burggräfin, in Worms auf den Tisch zu bringen pflegte, und an die saftigen Beeren, die ihn unterwegs angelacht hatten.
    Als er schließlich das Gefühl hatte, sein Hintern würde jeden Augenblick auf dem steinernen Boden festfrieren, beschloss Prosperius, dass er lange genug gewartet hatte.
    Kaum war er jedoch durch den Verschlag geschlüpft und bis zum Rand der Mulde gehuscht, um auf den Karrenweg zu spähen, hörte er erneut Stimmen auf dem Weg. Dieses Mal kamen sie aus der anderen Richtung. Noch klangen sie
gedämpft, aber sie näherten sich unmissverständlich seinem Versteck.
    Heilige Jungfrau! Hatte er nicht gewusst, dass heute der denkbar schlechteste Tag war, um ungesehen am Dorf vorbeizukommen? Hätte Herwald nicht noch einen Tag länger warten können, bevor er dem Burggrafen von dem jüdischen Händler berichtete? Und wieso, zum Henker, musste der Jude auch nach Egininkisrod kommen? Hätte er sein Lager nicht anderswo aufschlagen können? In Thale oder Quedlinburg oder noch weiter weg? Oder doch wenigstens hätte er die Sonnwendfeier abwarten können!
    Umgehend machte der junge Schreiber kehrt, zwängte sich durch den Verschlag und bezog seinen alten Posten beim Höhleneingang.
    Die Stimmen kamen näher.
    »… kann er nur …«
    »… wird sich … einfinden, und …«, hörte er undeutliche Satzfetzen.
    Eine kleine Weile war es still, und als wieder gesprochen wurde, klang es schon sehr nah.
    »… womöglich ist er … sonst fällt mir nicht ein, … und wir noch suchen könnten …«
    »… sollte er denn ausgerechnet dort zu schaffen haben? «zu
    »Was fragst du mich das? Was hat er denn heute überhaupt außerhalb des Klosters zu schaffen?«
    Vier Paar sandalenbewehrte Füße und Säume schwarzer Kutten gerieten in Prosperius’ Blickfeld und blieben zu seinem Unbehagen am Rand der Mulde stehen.
    »Ich wette, er ist schon wieder zurück und sitzt in aller Bequemlichkeit im Refektorium bei Brot und Suppe, während wir hier in der Sonne braten.«

    »Bruder Hartung hat recht. Lasst uns zum Kloster zurückkehren. «
    »Dennoch – wir sollten uns vergewissern.«
    »Und wie, glaubst du, sollen wir das anstellen? Es ist stockfinster dort, und wir haben keine Lampe bei uns.«
    Eine der Stimmen zupfte an Prosperius’ Erinnerung, doch er hatte keine Muße, den Gedanken zu vertiefen.
    »Neben dem Eingang hängt eine Öllampe. Vater Abt lässt sie regelmäßig für die Pilger nachfüllen, die in der Klause beten wollen«, hörte er, und ein eisiger Schreck fuhr durch seine Glieder.
    Heilige Muttergottes! Sie wollten in die
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