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Das Geheimnis der Burggräfin - Roman

Das Geheimnis der Burggräfin - Roman

Titel: Das Geheimnis der Burggräfin - Roman
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag <München>
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Dörfern zu feiern und ihren Zorn auf den jungen Herrscher und den landesfremden Burggrafen in Met und Bier zu ertränken.
    Unglücklich biss sich Prosperius auf die Lippe.
    Mochte es hier auf dem Buchenfels auch ruhig sein, in Egininkisrod würde es anders zugehen.
    Vor den Häusern im Dorf würde heute gezecht, gesungen und getanzt werden. Jeder junge Bursche, ob Bauernsohn oder Höriger, wäre auf den Beinen, um Holz zu sammeln und es auf die baumlosen Höhen hinaufzuschaffen, wo man es zu großen Stapeln für das Sonnwendfeuer aufschichten würde. Die Frauen und Mädchen würden am Dorfrand und auf den Wiesen Schafgarbe, Johanniskraut, Wegerich, Efeu und Wucherblume pflücken und die Kräuter in der Kirche zu Sankt Mauritius segnen lassen. Kränze wurden aus den geweihten Pflanzen geflochten und Sträuße gesteckt, mit denen man die Häuser, Ställe und Scheunen schmückte. Sie galten als besonders wirksamer Schutz gegen all die Geister, Feen und die Wilden Jäger, die für eine Nacht aus der Hölle emporsteigen würden.
    Prosperius seufzte. Es müsste wirklich mit dem Teufel zugehen, wenn es ihm gelänge, sich ausgerechnet heute ungesehen am Dorf vorbeizustehlen, dachte er und zermarterte
sich den Kopf um eine Ausrede, die es ihm erlauben würde, hinter die starken Mauern der Burg zurückzuflüchten.
    Doch gerade jetzt, wo er so dringend eines Einfalls bedurfte, ließ ihn seine Erfindungsgabe im Stich. Zumal die Stimme seines Herrn ihm noch deutlich in den Ohren klang.
    »Nein! Komme mir ja nicht wieder mit einer deiner hanebüchenen Ausflüchte daher. Ich will nichts von den Befindlichkeiten deiner Säfte wissen. Davon habe ich, weiß Gott, genug von dir gehört, seit wir Worms verlassen haben«, hatte Bandolf von Leyen geknurrt und seinem jungen Schreiber den Wind aus den Segeln genommen, noch bevor Prosperius zu einer Widerrede hatte ansetzen können.
    »Du wirst diesen jüdischen Händler aufsuchen, wie ich dir angeschafft habe, und ihm ausrichten, dass er auf der Burg vorstellig werden soll. Und falls er das eine oder andere Fuder Wormsgauer Roten unter seinen Waren hat, soll er die Fässer gleich heraufbringen lassen. Das soll sein Schaden nicht sein, sag ihm das. Habe ich mich verständlich gemacht?«
    Mehr noch als die Worte hatte ein Blick in das breite, bärtige Gesicht des Burggrafen mit den unnachgiebig zusammengezogenen Brauen Prosperius davon überzeugt, dass dieses Mal jeglicher Widerspruch zwecklos wäre.
    Und dann war er auch schon über den Burghof getrabt, hadernd mit seinem Schicksal im Allgemeinen und dem Juden insbesondere, der zu solcher Unzeit von Worms ins Sächsische heraufgekommen war.
    Ja, und nun stand er draußen vor dem Tor. Ausgesperrt.
    Entmutigt starrte Prosperius die abweisenden Mauern an, und ihm war, als stünde er mit all seinen Sünden beladen vor dem Himmelsportal und bäte um Einlass. Für
einen Augenblick hoffte er noch, das Mannsloch möge sich wie durch Zauberhand für ihn öffnen, doch bei dem schweren, eisenbeschlagenen Tor rührte sich nichts, und endlich wandte er sich widerstrebend um.
     
    Mit einem flauen Gefühl im Magen und ängstlich bemüht, nicht in die gähnende Tiefe hinabzuschauen, überquerte Prosperius die Brücke, die für sein Empfinden allzu schmal und luftig über den Graben um das Burgplateau führte.
    Am anderen Ende der Brücke schlängelte sich ein Hohlweg steil nach unten. Karren und Lastschlitten, die das schwere Baumaterial auf die Burg beförderten, hatten den Weg wie eine Schneise in das zähe Gestrüpp aus Hartriegel, Weißdorn, Himbeer- und Brombeergesträuch geschlagen und den Boden mit tiefen Narben gezeichnet.
    Prosperius sprang neben einem Quellbach, dem der Hohlweg folgte, nach unten. Ein Gewirr aus Gräsern, blühenden Kräutern und Trieben säumte die Quelle zu seiner Rechten. Zu den blaugelben Tupfen von Vergissmeinnicht, dem gelb blühenden Münzkraut und den tiefblauen Blüten von Eisenhut und Glockenblumen gesellten sich die schillernden Farben der Zitronenfalter, Pfauenaugen und Perlmuttschmetterlinge, der Hummeln, Bienen, Mücken und Libellen, die die Dolden und Blüten umschwirrten. Kleine Erdbeeren funkelten rot zwischen dem Gebüsch am Wegrand, und eine Fülle reifer Himbeeren glänzte matt in der Sonne.
    Obgleich ihm bei ihrem Anblick das Wasser im Mund zusammenlief, bremste Prosperius seinen Lauf erst, als er am Fuß der Anhöhe angelangt war.
    Hier mündete der Hohlweg in einen Waldpfad und der Quellbach in ein breites
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