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Das Geheimnis der Burggräfin - Roman

Das Geheimnis der Burggräfin - Roman

Titel: Das Geheimnis der Burggräfin - Roman
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag <München>
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Gedanken?
    ›Törichte Gans!‹, rief sie sich streng zur Ordnung. Der Welsche mochte ein Dutzend Gründe haben, hier zu stehen. Vielleicht suchte er Arbeit und wartete auf den rechten Mann, um ihn anzusprechen, vielleicht wollte er sich hier mit jemandem treffen, und womöglich ruhte er sich auch nur für eine Weile aus und würde seinen Weg bald wieder fortsetzen.
    Und die unbestimmte Angst, die sie in Jehudas Blick zu sehen geglaubt hatte, mochte ihrer eigenen Sorge entspringen, die sie bei seiner Abreise empfunden hatte. Handelsfahrten auf des Königs Straßen waren stets auch mit Gefahren verbunden.
    ›Hier stehe ich herum, gaffe den Rücken eines Wildfremden an, während sich mein Tagwerk nicht von selbst erledigt! ‹, dachte sie, ärgerlich auf sich selbst. Entschlossen drehte sie sich um und setzte endlich ihren Weg fort.
    Doch die Besorgnis wich nur zäh. Als Rifka mit vollem Korb nach Hause zurückkehrte, war sie selbst überrascht, welche Last ihr von der Seele fiel, als sie den Franzosen nirgendwo mehr entdecken konnte.

KAPITEL 2
    Sachsen, Sommersonnenwende im Jahre des Herrn 1066
     
    M it einem dumpfen Ächzen fiel die eingelassene Pforte im Burgtor hinter Prosperius zu.
    Für den jungen Schreiber hatte das Geräusch etwas fatal Endgültiges an sich, und trotz der Mittagshitze, die ihm den Schweiß aus den Poren trieb, lief ein Frostschauer über seinen Rücken.
    Hastig machte er kehrt, um an das Mannsloch im Tor zu klopfen, damit man ihn wieder einließe.
    Aber wie sollte er dem Burggrafen erklären, wieso er so rasch und unverrichteter Dinge zurückkehrte?
    Probehalber versuchte Prosperius sich an einem schmerzlichen Lächeln, verzog die kleine aufwärtsstrebende Nase und schlug treuherzig die dunklen Augen auf. Im Nu zeigte sein schmales Gesicht ein Bild puren Jammers.
    »Die Hitze macht mich ganz schwindelig, Herr«, ächzte er. »Seht doch nur, wie mir die Glieder schlottern.«
    Um seinen Worten noch mehr Nachdruck zu verleihen, sackte er ein wenig in die Knie und schlackerte mit den Armen. Seine mageren Schultern zuckten, als litte er an der Fallsucht.
    Doch dann schüttelte er betrübt den Kopf und richtete sich mit einem tiefen Seufzen wieder auf. Nein, so würde es nicht gehen. Dieselbe Ausflucht hatte er schon verwendet,
als der Burggraf ihn zur königlichen Jagdpfalz Bodfeld mitnehmen wollte.
    Angestrengt nachdenkend runzelte er die Stirn. ›Bauchgrimmen? ‹, überlegte er. Seine Miene hellte sich auf, nur um sich einen Lidschlag später wieder zu verdüstern.
    Bauchgrimmen – das hatte er schon gleich nach ihrer Ankunft in Sachsen vorgeschützt, damit sein Herr ihn nicht zum Kloster Sankt Mauritius mitschleppte, wo Bandolf von Leyen sich die Unterstützung des Abtes für sein neues Amt als Vogt der Buchenburg erhoffte.
    ›Warum, bei allen Heiligen, hatte es denn auch eine sächsische Burg sein müssen? Wieso nicht eine suebische, oder eine bajuwarische?‹, haderte der junge Schreiber im Stillen. Aber nein! Nach Sachsen hatte der König seinen Herrn schicken müssen. Und von allen möglichen Orten im Harudengau auch noch ausgerechnet hierher!
    Entmutigt starrte Prosperius die wehrhafte Burgmauer an und den Bergfried, der sich dahinter erhob.
    Auf dem Plateau einer steil aufragenden Anhöhe, die die Sachsen den Buchenfels nannten, hatte man dem dichten Wald Platz für die Burg abgerungen, die Heinrich IV., König von Gottes Gnaden über das fränkische Reich, zum Schutz und Trutz für das Land ringsum erbauen ließ. Das Land, das so reiche Schätze wie Erz und Silber in seinem Leib barg.
    Die Mauern der Burg waren gut und gerne so dick, wie Prosperius’ Arme lang waren, und der Bergfried schien wie eine bleiche, steinerne Faust inmitten eines tiefgrünen, sonnengesprenkelten Meers wogender Bäume in den Himmel zu ragen.
    Ein Stück vom Turm entfernt konnte der junge Schreiber die obere Hälfte eines Baukrans und ein hölzernes Gerüst ausmachen. Hier sollte der Palas entstehen. Die niedrigen
Hütten der Reisigen, des Baumeisters, der Maurer, Steinmetze, Zimmerleute und Schmiede, die sich im Innern an die Burgmauer schmiegten, und die Öfen, Seilwinden und zu Stapeln aufgeschichteten Steinquader und Baumstämme, um die auf dem Burghof Tag um Tag lärmende Betriebsamkeit herrschte, blieben seinem Blick jedoch verborgen.
    Heute war es auf dem Buchenfels ungewohnt still.
    Zur Sonnwendfeier ruhte jede Arbeit, und das sächsische Landvolk nutzte die Gelegenheit, um in den umliegenden
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