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Das Geheimnis am goldenen Fluß

Titel: Das Geheimnis am goldenen Fluß
Autoren: Canter Mark
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werden, wo ein frisches Forscherteam seine Arbeit aufnehmen würde.
    Mason zog seinen Kompass aus der Tasche. Das Glasgehäuse war zersprungen, doch die Nadel drehte sich und schien zu funktionieren.
    »Wir flogen nach Süden, um uns das Tal anzuschauen, aber ich glaube nicht, dass wir weit vom Kurs waren«, sagte er, »und als wir abstürzten, gingen wir mehr oder weniger senkrecht runter. Deswegen nehme ich an, dass wir uns immer noch westlich vom Floß befinden, vielleicht nur ein paar Kilometer, wenn wir Glück haben.«
    Tree legte ihre zerschmetterte Hand an den Bauch und wiegte den Oberkörper langsam vor und zurück. »Vielleicht haben Domino und Lynda den Absturz gesehen«, sagte sie. »Sie müssen die Explosion gehört haben.«
    »Ja, aber sie wissen nicht, ob es Überlebende gegeben hat.« Mason wies mit einem Kopfnicken auf die tief stehende Nachmittagssonne. »Es wäre unklug von ihnen, sich so spät am Tag zu Fuß auf die Suche nach uns zu machen. Wenn sie schlau sind, sind sie am Floß geblieben und haben über Funk Hilfe angefordert. Sobald wir dort sind, werde ich deine Hand versorgen; das muss reichen, bis uns ein anderer Hubschrauber evakuiert und uns in ein Krankenhaus bringt.« Er sah auf ihre Wunde hinunter und fluchte innerlich.
    »Du denkst dasselbe wie ich«, sagte sie. »Es könnte mehr als eine Woche dauern, bis man uns hier runterholt.«
    »Das ist das Problem. Der nächstverfügbare Hubschrauber ist wahrscheinlich der der venezolanischen Nationalgarde in Luepa. Sie müssten ihr Benzin etappenweise nach Canaima bringen, so wie wir es gemacht haben. Sieben oder acht Flüge.«
    »Aber wenn ich die Antibiotika einnähme, die wir am Floß haben, sollte ich die Zeit überstehen.«
    Er nickte, wich aber ihrem Blick aus. Knocheninfektionen machten ihm Angst. Auf diese Weise hatte er eine Vielzahl seiner indianischen Patienten verloren. Sich durchs Knochenmark fressender Staphylococcus aureus – eine der grausamsten Arten, mit der der Dschungel einen in Kompost verwandelte.
    Die Tropfen fielen in längeren Abständen von dem Felsvorsprung über ihren Köpfen. »Der Regen hat nachgelassen«, sagte Tree. »Lass uns aufbrechen.«
    Er schüttelte den Kopf. »Meine Schulter. Du musst sie einrenken, sonst schaffe ich es nicht über eine größere Entfernung.«
    »Sag mir, was ich tun soll.«
    »Wird nicht leicht mit einer Hand.«
    Sie nahm seinen Unterarm und drückte ihn kräftig. »Hey, ich bin’s, weißt du noch? Ich bin so stark wie eh und je …« In ihren Augen lag ein altvertrautes Blitzen.
    Der Gesichtsausdruck, den Tree in diesem Moment aufsetzte, brach in seinem Herzen eine sorgfältig verschlossene Kammer voller Erinnerungen auf. Ein Bild drängte sich hervor: Mason war neunzehn, Tree achtzehn; er jagte ihr in einem verlassenen Leuchtturm am Indian Mound Beach hinterher; beide lachten, während sie über ihm die Wendeltreppe hochrannte. Ihre Schritte auf den Stahlstufen hallten durch die Backsteinröhre; sein Herz hämmerte wild. Ihr Leinenkleid war aufgebläht wie ein rotes Segel; der scharfe Kontrast ihrer weißen Baumwollunterwäsche gegen ihre braun gebrannten Schenkel. Sie hatten das Aussichtsdeck mit dem romantischen Seeblick nie erreicht, sondern sich im Stehen auf der Treppe geliebt, sie ans rostige Treppengeländer gelehnt, ihre lustvollen Schreie verstärkt wie in einem Megaphon.
    Mason brachte ein Lächeln zustande. Trees Figur war noch genauso athletisch und wohl proportioniert wie zu der Zeit, als nach seiner Rückkehr aus Vietnam ihre Ehe zerbrochen war. Damals war sie vierundzwanzig gewesen. Sie hatten sich acht Jahre nicht gesehen, bis er sie vor einer Woche – zu seiner völligen Überraschung – in Canaima wieder getroffen hatte. Erneut fragte er sich, ob sie dem Forschungsprojekt beigetreten war, weil sie in Erfahrung gebracht hatte, dass er der Arzt des Teams sein würde. Um ihretwillen hoffe ich, dass sie mich nicht mehr so liebt, wie ich sie noch heute liebe.
    Die Schmerzen in seiner Schulter rissen ihn aus seinen Gedanken. »Okay, leg dich mir gegenüber auf den Rücken, leg den linken Fuß an meine Schulter.«
    Sie brachten sich auf dem regennassen Kiesbett in Position. Überall zwischen den Steinen sprossen winzige pinkfarbene Pilze, deren zerdrückte Hüte einen starken Moschusduft verströmten.
    »Okay«, sagte Mason, »hake dich mit deinem rechten Fuß in meiner Achselhöhle ein und ziehe langsam den Arm zu dir, in leicht schrägem Winkel von meinem
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