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Das Geheimnis am goldenen Fluß

Titel: Das Geheimnis am goldenen Fluß
Autoren: Canter Mark
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verstummten alle Geräusche in der Umgebung. In der Stille rauschten Masons Ohren, und das Herz schlug ihm bis zum Hals. Trees Augen waren auf seine geheftet. Er hoffte, dass sein Blick nicht die Furcht und den Schmerz widerspiegelte, die er in ihrem Gesicht sah.
    Plötzlich begannen die Millionen Insekten, Frösche und Vögel wieder zu zirpen, quaken und zwitschern. Dreitausend Meter unter dem Hochplateau, wo er und Tree sich aneinander fest hielten, stellte Mason sich Brüllaffen und Papageien vor, die kreischend und schnatternd in den Bäumen des Regenwalds hockten, während knurrende Jaguare über den pflanzenüberwucherten Boden tappten.
    Dort unten sickerten die Regentropfen durch ein dichtes tropisches Blätterdach und verdampften. Hier oben jedoch waren sie dem kalten, ihnen in die Gesichter schlagenden Regen schutzlos ausgeliefert. Es hatte Jahre gedauert, bis Mason sich an das heiße, feuchtschwüle Tropenklima des Tieflands gewöhnt hatte; nun stand er vor – Kälte zitternd – auf einer hoch aufragenden Insel in den Wolken.
    Tree Summerwood grub ihr Gesicht in das feuchte Baumwollhemd, das an Mason Drakes breiter Brust klebte. Mit seinen sehnigen Fingern strich er ihr sanft über die apricotfarbenen Zöpfe. Auf dem gigantischen Hochplateau, von den Eingeborenen Cameleon-Tepui genannt, fügte ihr Schluchzen der amazonischen Geräuschkulisse einen leisen menschlichen Laut hinzu.

2
    Der Sumpf erstreckte sich in die Ferne, war aber nicht breiter als ein Fußballfeld, und in wenigen Minuten hatten die beiden festen Untergrund erreicht. Sie standen, Atem schöpfend, im sandigen Kiesbett, bis zu den Hüften mit schwarzpurpurnem Schlamm bedeckt, der den süßlichen Gestank von Fäulnis verströmte. Mason wandte sich zu Tree, um ihre verletzte Hand zu inspizieren, und sah, dass auch sie mit Schlamm überzogen war. Sein Magen zuckte. Sieht nicht gut aus.
    »Ich musste mich abstützen«, sagte sie entschuldigend und prüfte seinen Blick. Er verbarg seine Reaktion.
    »Zeig mal her«, sagte er. Sie hielt ihm die linke Hand hin, mit der rechten gestützt. Er hob einen flachen, glatten Kieselstein auf und kratzte damit vorsichtig den zähen Schlamm herunter. Wimmernd biss sie auf die Zähne, atmete zischend ein und starrte nervös auf das rote Fleisch, das unter der Schmutzschicht zum Vorschein kam.
    Er warf den Kieselstein fort und betrachtete die Wunde. Der am Daumensockel abgerissene Knochen ragte aus dem zerfetzten Muskelgewebe. Behutsam drehte er die Hand um. Das Feuer hatte die Wunde versengt, was in diesem Fall gut war, da die Hitze die aufgerissenen Adern kauterisiert hatte. Doch Mason wusste aus Erfahrung, dass in den Tropen eine Infektion unausweichlich war – selbst wenn man kein Bad in fauligem Sumpfwasser genommen hatte –, und Knocheninfektionen waren ein tödliches Übel. Er sehnte den Verbandskasten herbei, der unter seinem Hubschraubersitz gelegen hatte und dessen Inhalt nun in verkohlten Resten auf dem Hochplateau verstreut war.
    »Wir müssen die Wunde auswaschen«, sagte er stirnrunzelnd. »Es mag eklig klingen, aber das Beste, was wir, medizinisch gesehen, tun können, ist, sie mit Urin zu reinigen.«
    »Was?«
    »Frischer Urin ist steril –«
    »Draufpinkeln?«
    »Wir müssen sie irgendwie sauber kriegen.«
    Sie sah zum Sumpf hinüber. »Wie wär’s mit –«
    »Sumpfwasser? Das ist voller Bakterien – gerade die müssen wir rauswaschen.«
    Sie starrte ins Leere.
    »Komm schon, Tree, es ist wichtig. Heb dir deine Verlegenheit für später auf.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Ich bin nicht verlegen – das ist es nicht …«
    »Nun, ich schon, also lass es uns hinter uns bringen.« Er öffnete den Reißverschluss seiner Leinenshorts. »Okay. Es wird höllisch brennen.«
    Tree stöhnte auf und zog die Hand weg, als der Urin über das rohe Fleisch floss.
    »Halt still –«
    »Au, es brennt, es brennt.«
    »Es könnte dir das Leben retten.«
    »Au!« Wieder zog sie die Hand weg.
    Er packte ihr Handgelenk. »Tut mir Leid. Noch ein paar Tropfen.« Die letzten Reste des schwarzen Schlammes wurden fortgespült. Tree schloss schaudernd die Augen.
    Mason zog den Reißverschluss hoch. »Was du wirklich brauchst, ist eine starke Dosis Tetrazyklin und Morphium«, sagte er, »außerdem sollte ich ein Stück Haut über den Knochen nähen.«
    »Und ich sollte an einem Kurort sein und mich in einem Schaumbad aalen. Aber hier sind wir, abgestürzt auf einem Tepui.«
    Mason nickte und ließ den
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