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Das Gegenteil von Schokolade - Roman

Das Gegenteil von Schokolade - Roman

Titel: Das Gegenteil von Schokolade - Roman
Autoren: Mirijam Muentefering
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Arm.
    »Unterwegs ins Büro?«, frage ich und schaue einmal demonstrativ an ihr hinunter und herauf, denn sie sieht in ihrem hellen Hosenanzug aus wie die Chefin persönlich. Dabei arbeitet sie als Sekretärin.
    »Nix da.« Angela wackelt mit dem Zeigefinger. »Ich hab ein paar Tage Urlaub und bin jetzt sozusagen auf Promotion-Tour. Du kommst doch auch rum. Vielleicht kannst du ja irgendwo ein paar Flyer verlieren.« Damit greift sie in ihre Aktentasche und holt einen Stapel kleiner Zettel heraus, die sie mir in die Hand drückt.
    Ich werfe einen Blick darauf. »Oh, für euer Stück! Ist es denn schon so weit?«
    Angela sieht aus, als müsse sie sich Luft zufächeln. »In sechs Wochen genau! Macht euch auf was gefasst!«
    Sie tätschelt Michelins Po, wirbelt einmal herum und verschwindet, über sich selbst lachend, aus der Tür.
    »So ist sie schon seit Anfang des Monats«, sagt Michelin und geht zurück in die Küche, wo die Kaffeemaschine gurgelnde Geräusche von sich gibt, die mich magnetisch anziehen. »Seit feststeht, wann die Aufführung stattfindet, ist sie nicht mehr zu bremsen.«
    Sie holt zwei Tassen aus dem Schrank und die Milch aus dem Kühlschrank.
    »Das ist doch schön. Wenn sie schon nicht mehr vollprofimäßig schauspielern kann, dann ist so eine eigene Theatergruppe doch wohl die ideale Lösung.«
    »Aber nur, solange sie und Jana sich nicht die Rollen des Liebespaares aussuchen«, grunzt Michelin. Im letzten Jahr ging es in ihrem Leben hoch her, weil sie sich mit Pauken und Trompeten in die neunzehnjährige Lena verknallt hatte. Als sie dann deren Mutter, nämlich Angela, kennen lernte, war es mit der Ruhe ganz aus. Aber Gott sei Dank sind diese hektischen Zeiten vorbei, und wenn Angela mit ihrer neu entdeckten Begeisterung fürs Theater auch Michelin in Schwung hält, dann tut das ihrer jungen Beziehung bestimmt gut.
    Ich ertappe mich dabei, wie ich Michelin versonnen anstarre, als sie den Kaffee in die Becher gießt. Als sie sich in Angela verliebte, dachte ich noch, ich sei mit Lothar in der Sicherheit einer allen Anfeindungen des Lebens gewachsenen Langzeitbeziehung angekommen. Und jetzt betrachte ich eine stinknormale Verabschiedungsszene am Morgen mit triefender Wehmut, weil ich niemanden mehr habe, von dem ich mich durch ein Potätscheln verabschieden kann.
    Michelin reicht mir meine Tasse, und ihre Augen verengen sich kurz, während sie mir prüfend ins Gesicht sieht.
    »Wie geht es dir?«, fragt sie.
    Ich nippe an meinem Kaffee. »Wenn du so fragst, kann ich mal davon ausgehen, dass ich schlecht aussehe? Das kann ich damit entschuldigen, dass ich wenig geschlafen habe.«
    Michelin schnalzt mit der Zunge. »Das Argument zählt nun wirklich nicht. Ich habe auch wenig geschlafen und sehe nicht so aus wie du«, sagt sie grinsend.
    »Danke«, erwidere ich und wandere langsam durch den Flur Richtung Arbeitszimmer. »Dieser dezente Hinweis auf mein momentan nicht existentes Sexualleben trägt gewiss zur Erhellung meines Tages bei.«
    »Ach, Frauke«, seufzt Michelin und versucht, mir mit der Schulter einen kleinen liebevollen Stups zu geben. Da sie aber einen halben Kopf kleiner ist als ich, geraten wir dadurch beide ein wenig ins Schwanken und umklammern unsere Kaffeebecher. »Was machst du denn nur die ganzen Nächte? Ich meine, du kannst doch nicht immer dasitzen und dem Baum zuhören!«
    Sie weiß es nicht.
    Ich habs ihr nicht erzählt.
    Wieso auch? Wieso sollte ich davon erzählen, dass ich nachts am Computer sitze und auf dem Bildschirm den Chat-Namen einer fremden Frau anstarre?
    Aber gestern Nacht hat diese Frau mich angesprochen. Sie ist herausgetreten aus der Anonymität der Cyberwelt und hat mit mir gesprochen. Und nicht einmal Unwichtiges.
    »Du lachst dich bestimmt tot, wenn ich dir jetzt etwas erzähle«, beginne ich und setze mich an meinen Platz.
    Unsere Schreibtische stehen sich im Büro gegenüber. So können wir uns auch beim Arbeiten ansehen, miteinander reden und hin und wieder eine kleine Pause verquatschen.
    Michelin schaut mich unter den Schreibtischlampen hindurch gespannt an.
    Ich mache es kurz und schmerzlos und erzähle ihr ohne größere Umschweife von meinen Ausflügen ins Chatternachtleben.
    Ihr Gesichtsausdruck wechselt dabei von verwundert über amüsiert bis hin zu einem verklärten Ausdruck, der mir ein bisschen unheimlich wird, je länger er andauert.
    Schließlich seufzt sie tief und rührt noch einmal ihren Kaffee um. »Ach, wenn ich das so höre, das klingt
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