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Das Gegenteil von Schokolade - Roman

Das Gegenteil von Schokolade - Roman

Titel: Das Gegenteil von Schokolade - Roman
Autoren: Mirijam Muentefering
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rangiere lange mit meinem Wagen herum, den irgendjemand schon bösartig zu nennend eingeparkt hat. Als ich dann aus der Parklücke heraus bin, gebe ich Gas und fahre in die falsche Richtung. Ich fahre nicht nach Hause.
    Als ich an einer Tankstelle vorbeifahre, kommt mir die Idee. An der nächsten halt ich an und laufe fast mit dem Kopf gegen die Glastür, die sich nicht öffnet, als ich hinein will. Ich stehe verwirrt davor.
    »Bitte benutzen Sie doch den Nachtschalter!«, schnarrt eine durch ein Mikrofon entstellte Stimme zehn Meter weiter links von mir.
    Ich trabe dorthin und nicke dem jungen Mann hinter der dicken Scheibe freundlich zu. Er hat Ringe unter den Augen. Manchen Menschen bekommt Nachtschicht nicht besonders gut.
    »Haben Sie Vanillemousse?«, frage ich, sicher, dass er mich für verrückt halten wird. Niemand kauft um halb zwei Uhr nachts Vanillemousse an einer Tankstelle. Es sei denn, diese jemand ist schwanger. Und das trifft auf mich ja Gott sei Dank nicht zu.
    »Nein, tut mir Leid«, erwidert er mit verfremdeter Stimme.
    Ich nicke, einsichtig lächelnd, hebe die Hand zum Gruß und drehe mich schon um, da schnarrt es: »Nehmen Sie doch Eis!«
    Ich wende mich wieder ihm zu.
    »Bitte?«
    »Wir haben keine Mousse, aber Sie könnten doch stattdessen Eis nehmen. Wir haben Vanilleeis. In Ein-Liter-Behältern.«
    Ich starre ihn einen Augenblick an, dann grinse ich, und er erwidert es. Sofort sieht er nicht mehr ganz so übernächtigt aus.
    »Okay«, beschließe ich. »Ich nehm Ihr Vanilleeis.« Und als er schon losläuft, um es zu holen, rufe ich ihm noch nach: »Ach, haben Sie denn auch Schokoladeneis?« Er dreht sich um und nickt.
    »Das nehm ich dann auch!«, sage ich.
    Die Straße, in der Antonie wohnt, ist einfach zu finden. Ich parke direkt vor dem Haus und gehe in den Hauseingang. Auf den Klingelschildern sind die Namen nur schwer zu erkennen, weil es zu dunkel ist. Die nächste Straßenlaterne steht ungünstig weit weg. Peinlich wäre ja, jetzt bei jemand Fremden zu schellen, mitten in der Nacht.
    Als ich schließlich den Knopf drücke, pumpt mein Herz wie ein Zylinderkolben. Es dauert eine ganze Weile, aber dann geht der Türsummer, und ich drücke die Tür auf.
    Im Treppenhaus geht das Licht an, bevor ich den Schalter an der Wand ertastet habe.
    Ich steige die unbekannten Stufen hinauf. Fremd ist alles. Ein Geruch wie Lavendel. Vielleicht hat jemand Essenz ins Wischwasser getan.
    Antonie steht mit zerzausten Haaren in der Tür und blinzelt mich an.
    Sie ist barfuß, trägt verwaschene rote Boxershorts und ein ausgeleiertes T-Shirt.
    Sie lächelt zaghaft und hält mir die Tür weit auf, um sie dann langsam hinter mir wieder zu schließen.
    »Ich wusste nicht, wo dein Schlafzimmerfenster liegt«, erkläre ich ihr. »Sonst hätte ich Steinchen geworfen.«
    »Hätte ich nicht gehört. Ich hab einen sehr tiefen Schlaf.«
    Wir stehen voreinander.
    »Kann es sein, dass es das war, was du mir sagen wolltest, als du gestern angerufen hast?«, fragt sie dann ohne Vorwort.
    Ich hätte es wissen können, dass sie so reagiert. Ganz genau so. Nicht einfach darüber hinweggeht, als sei nichts geschehen. Sondern anspricht, was sie gesehen hat, zu sehen glaubte.
    Ich ringe wirklich mit den Worten. Nie ist mir das Sprechen so schwer gefallen wie in dieser Zeit.
    »Was du gesehen hast, war nicht das, was du zu sehen geglaubt hast«, formuliere ich ausgesprochen kompliziert.
    Antonie steht in ihrem Schlafdress vor mir und ist einen halben Kopf kleiner als ich, aber sie kommt mir trotzdem ziemlich groß vor, als sie jetzt sagt: »Also, Frauke, ich lass mich nicht verkackeiern. Ich weiß, was ich gesehen habe. Und ich weiß auch, dass ich auf irgendwelche Dreiergeschichten keine Lust habe. Das ist alles.«
    Sie klingt nicht mal sauer, sondern einfach nur müde und erschöpft.
    »Vielleicht sollte ich dir erzählen, was ich dir gestern eigentlich schon erzählen wollte. Damit du es besser einschätzen kannst?!«
    Mir geht wirklich die Düse.
    Sie ist so hart mit sich und ihren goldenen Regeln. Was soll ich machen, wenn sie mich jetzt einfach vor die Tür setzt?
    »Was hast du da?«
    Ich sehe hinunter auf die beiden Ein-Liter-Behälter, die ich in den Händen halte.
    »Kalte Finger«, antworte ich grinsend. »Und Eis. Vanille und Schoko.«
    Jetzt sieht ihr Lächeln schon ein bisschen anders aus. Sehr viel anders.
    »Komm rein. Ich hol uns Löffel!«
    Ihre Wohnung ist noch kleiner als meine, besteht nur aus dem kleinen
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