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Das Gegenteil von Schokolade - Roman

Das Gegenteil von Schokolade - Roman

Titel: Das Gegenteil von Schokolade - Roman
Autoren: Mirijam Muentefering
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sagenhaft gutes Stück ist.
    Es ist so spannend inszeniert, und die Darstellerinnen sind so überzeugend, dass selbst ich den Saal um mich herum vergessen kann. Hineintauche in die Geschichte der an den Rollstuhl gefesselten Amelie, die von der liebevollen Fürsorge ihres Ehemannes fast erdrückt wird und plötzlich schockartig wachgerüttelt wird durch das Auftauchen der polterigen und energischen Pflegerin Marge. Dass sie sich ineinander verlieben, muss einem ans Herz gehen. Die Widerstände, die sich ihnen sofort massiv entgegenstellen, sträuben mir die Haare im Nacken.
    Antonie sitzt neben mir und hält die Hände in ihrem Schoß gefaltet, als würde sie beten.
    Vielleicht tut sie das auch. Denn so wie sie das Geschehen auf der Bühne gebannt mit den Augen verfolgt, scheint sie vollkommen gefangen zu sein von dieser Geschichte.
    Als die Personen die Bühne verlassen und das Licht angeht, geht ein Raunen durch die Zuschauermenge. Die Pause kommt unerwartet.
    Nur langsam stehen die Leute auf und richten sich zum Ausgang, um sich Getränke zu besorgen oder der Toilette einen Besuch abzustatten.
    Ich schaue mich, auf Zehenspitzen stehend, um.
    Weit hinten, am letzten Ausgang, entdecke ich Emma, die zu mir hersieht und dann fortgezogen wird vom Strom der Hinausdrängenden.
    »Wow«, macht Antonie, neben mir stehend. Sie sieht aus, als wäre sie gerade aus einem tiefen Traum erwacht. »Das find ich cool.«
    Michelin sitzt immer noch auf ihrem Platz und lächelt selig.
    »Bleibst du hier sitzen?«, fragt Antonie sie. »Ich bleib auch hier. Da draußen stehen sich eh alle nur auf den Füßen. Und ich kann jetzt nicht irgendwelchen Smalltalk reden.«
    Ich glaube, sie hätte nichts sagen können, was Michelin mehr für sie einnehmen könnte. Der Blick, den meine Arbeitskollegin Antonie jetzt zuwirft, lässt mich stutzen.
    »Deine liebe Angela«, sage ich deshalb betont schmeichelnd zu ihr, »ist wirklich sehr überzeugend!«
    »Ja, finde ich auch!«, stimmt Antonie mir zu. »Ich find sie großartig. Und auch diese andere, die die Amelie spielt.«
    »Das ist Jana«, erklärt Michelin ihr und will gerade beginnen, die Geschichte zu erzählen, die Angela und Jana miteinander verbindet. Ich denke, das ist ein günstiger Moment.
    »Oh, ich glaub, ich hab da jemand gesehen!«, sage ich und lächele die beiden an. Michelin hebt alarmiert den Kopf in die Richtung, in die ich schaue. Aber Emma kann sie von ihrem Platz aus längst nicht mehr sehen. »Ich bin gleich zurück!« Und schon mache ich mich davon.
    Wenn ich sie jetzt finde, könnte es gut gehen. Dann muss ich nur nach der Aufführung lange genug auf der Toilette bleiben. Und die beiden begegnen sich nicht einmal. Muss ja nicht heute Abend sein, rede ich mir ein. Ich werde Antonie bei der nächsten Gelegenheit natürlich von Emma erzählen. Und vielleicht sollte ich auch mit Emma noch einmal sprechen. Vielleicht sollte ich überhaupt mal mit mir selbst ein ernstes Gespräch führen. Denn ich will ja wohl nicht, dass das hier zu einem Dauerzustand wird?
    Ich wühle mich durch die herumstehenden Menschen und erhebe mich immer mal wieder auf die Zehenspitzen. Gott sei Dank bin ich groß genug, sodass selbst die meisten Männer mir dann nicht mehr die Sicht versperren. Aber trotzdem finde und finde ich sie nicht. Gleich wird die Pause beendet sein, und ich habe sie immer noch nicht begrüßt.
    »Guten Abend«, sagt da eine fast schon vertraute rauchige Stimme hinter mir. Ich fahre herum.
    Emma.
    Lächelnd. Mich anlächelnd.
    »Hallo«, hauche ich. Ja, wirklich, ich hauche nur. Sie sieht umwerfend aus.
    Von nahem noch mehr als aus der Ferne. Ich bin auch nicht die Einzige, die sie anstarrt. Wahrscheinlich ist sie die schönste Frau im ganzen Theater.
    Und die hat nichts anderes zu tun, als sich vorzubeugen und mir einen Kuss zu geben.
    Mein erster Gedanke ist, dass hoffentlich Katja nicht irgendwo in der Nähe ist. Die bekommt einen Herzinfarkt. Denn Emmas Kuss ist nicht ein flüchtiger Freundinnenkuss, schmatz, schmatz, auf die Wange. Nein, sie küsst mich mitten auf den Mund, und zwar so langsam und sacht, dass es allen klar sein muss, was das für ein Kuss ist.
    Als sich unsere Lippen voneinander lösen und mein Blick sich wieder klärt, sehe ich über Emmas Schulter hinweg dort hinten Antonies Augen. Nur für einen kurzen Moment. Dann schiebt sich im Gedränge irgendjemand dazwischen, und sie ist fort.
    In meinem Kopf gibt es irgendwie einen Unfall. Es fühlt sich
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