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Das Gegenteil von Schokolade - Roman

Das Gegenteil von Schokolade - Roman

Titel: Das Gegenteil von Schokolade - Roman
Autoren: Mirijam Muentefering
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Geschichte aus »Tausendundeine Nacht«, in der Behaglichkeit und das Gefühl des ›Zuhause‹ in jedem Winkel wohnt und … o.k., o.k., also, als ich noch mit Lothar zusammen wohnte, da waren Loulou und ich morgens um die Häuserblocks gestreift. Denn der einzige Nachteil, den diese wunderbare Wohnung hat, ist ihre Innenstadtnähe. Im Sommer stöberten wir sonntagmorgens manchmal Liebespärchen auf, die sich nach einer durchtanzten Nacht in Hauseingängen herumdrückten und mit dem Knutschen einfach kein Ende fanden.
    Loulou las ihre Zeitung, indem sie, die Nase dicht am Boden, dahintrabte mit dem schneidigen Gang derje nigen, die sich permanent in freudiger Erwartung befinden.
    Und ich ließ meine Gedanken schweifen, sortierte in meinem Kopf die Dinge, die tagsüber erledigt werden mussten, und die, die getan werden sollten, und jene, die genossen werden durften.
    Als ich vor ein paar Wochen hierher zog, ließ ich diese liebe Angewohnheit nicht fallen, sondern begab mich am ersten Tag auf die Suche nach einer geeigneten Morgenrunde.
    Der gepflegte Park, tagsüber stark von Rentnern frequentiert, reizte Loulou und mich nicht besonders. Der Wald, obwohl zu Fuß zu erreichen, war für unsere morgendliche Tradition zu weit entfernt. Aber dann entdeckte ich den Weg auf den Berg. Und hier stehe ich nun jeden Morgen und betrachte die Welt wie von ihrem Dach aus.
    Das Schöne ist, wenn ich von hier oben die Häuser der Stadt unter mir liegen sehe, der Lärm des Straßenverkehrs leise zu uns heraufweht, dann kann ich mich vollkommen entspannen und auf den neuen Tag einlassen. Ich gehöre ganz ihnen, diesen Stunden, die mich bereits erwarten. Das Gestern schert mich nicht mehr.
    Außer heute.
    Heute steh ich jetzt bereits fünfundzwanzig Minuten hier herum.
    Loulou wundert sich, trabt hierhin und dorthin, bedenkt mich jedes Mal beim geschäftigen Vorübereilen mit einem ihrer unbestechlich forschenden Blicke aus braunen Augen.
    Was gibt es heute zu tun?
    Da ist dieser neue Auftrag. Bei dem geht es um … ein Vogel fliegt vorbei. Und einkaufen muss ich auch unbedingt. Ich muss ein paar Sachen für meine heiß geliebte Kühltruhe einkaufen. Tiefkühlgemüse und … irgendwo hinter mir hupt ein Auto, weit entfernt. Vielleicht schaffe ich es auch noch, ein Geschenk für Katja zu besorgen. Meine liebe Cousine und gleichzeitig beste Freundin hat immerhin gerade ihre erste Tagung geleitet, und das sollte doch honoriert werden. Ich könnte ihr etwas besorgen, so in der Art von … wonach riecht das hier?
    Was ich heute auch noch machen könnte? Ich könnte mich heute Abend an den Computer setzen und ein bisschen diesen Chat besuchen. Wenn Silbermondauge da sein sollte, dann könnte ich ihr sagen … ja, was denn?
    Um ehrlich zu sein, ich denke den ganzen Morgen, an dem ich mir irrerweise wünsche, es möge doch verschneiter Winter sein, an nichts anderes als daran, was ich abends durch meine Tastatur hindurch zu ihr sagen könnte.
    So was ist doch albern.
    Das ist wie eine Jungmädchenschwärmerei für den Reitlehrer. Und wenn er mich anspricht und sagt, ich soll die Hufe auskratzen, dann sage ich …
    Ja, genauso kindisch ist das. Ich werde nicht länger darüber grübeln.
    Ich pfeife Loulou, die sich tatsächlich bequemt zu kommen, und schlage den Heimweg ein.
    Abschiede fallen immer in den Herbst.
    Der blaue Himmel kann mich nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Bäume kahler und kahler werden, der Wind kälter, die Tage kürzer.
    Meine Oma starb, während die Blätter sich bunt färbten.
    Mein erster Hund wurde an einem Novembernachmittag vom Schulbus überfahren, von dem er mich abholen wollte.
    Oliver verließ mich im Herbst wegen dieser aufgetakelten Nicole.
    Immer Herbst.
    Das hat Tradition in meinem Leben. Aber auch, dass ich wieder aufstehe und weitergehe und Neues entdecke. Auch nach sechs Jahren Beziehung kann ich das. Auch, wenn ich verlernt habe, allein zu schlafen. Auch, wenn die einzige Lichtquelle in der momentanen vorwinterlichen Düsternis eine wahrscheinlich lesbische Frau ist, von der ich nur den Chatnamen und ein paar poetische Sprüche kenne und die ich zudem wohl gerne selbst wäre.
    Ich tue mir so unglaublich Leid.
    »Ist das dein Hund?«
    Die hab ich doch neulich schon hier getroffen.
    Und schon da kam sie mir seltsam vor, weil sie so geschaut hat und gelacht, als amüsiere mein Anblick sie. Da hatte sie einen Schäferhund an der Leine, der Loulou schon auf zehn Meter Entfernung zerfleischen wollte. Sie
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