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Das Gegenteil von Schokolade - Roman

Das Gegenteil von Schokolade - Roman

Titel: Das Gegenteil von Schokolade - Roman
Autoren: Mirijam Muentefering
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Männern?«
    Ich weiß natürlich sofort, worauf sie hinaus will.
    »Männer? Du meinst … ? Ach so. Echt? Da schleusen sich Männer ein?«, versuche ich mich in Blasiertheit zu retten.
    Aber dann kommt mir plötzlich, fast zeitgleich mit dem Ende dieses Satzes ein Gedanke, und ich verschlucke mich an meinem Kaffeerest.
    »Ach du Scheiße!«, entfährt es mir, und mir wird ein bisschen schwindlig. »Michelin, könnte es nicht auch sein …? Es könnte doch auch vielleicht sein, dass Silbermond ein Mann ist? Nein, das glaube ich nicht!«
    Michelin macht ein wissendes Gesicht und gibt orakelhaft von sich: »Theoretisch kann alles sein.«
    Silbermond ein Mann.
    Ihre Worte. Ihre Poesie. Ihr Widerspruchsgeist. Also, nein, wirklich nicht. Das kann nicht sein.
    »Das kann nicht sein!«, bringe ich mit dem Brustton der Überzeugung heraus und fiepe hinterher: »Gibt es eine Möglichkeit, das rauszufinden?«
    Meine Kollegin und Freundin formt ihre Lippen zu einer Art Schnabel und fragt zurück: »Wieso ist das denn so wichtig? Ist es nicht vollkommen egal, ob Silbermond ein Mann oder eine Frau ist? Was würde es für dich denn für einen Unterschied machen?«
    Die Vorstellung, ein fremder Mann rezitiert für mich Rilke-Gedichte, ist einfach absurd.
    »Keinen.«
    »Siehst du.«
    »Nur einen.«
    »Welchen?«
    »Ich würde mich irgendwie … betrogen fühlen.«
    Jetzt ernte ich einen langen, forschenden Blick und ein frohlockendes Lächeln, das mir jedoch nicht erklärt wird.
    Das kenne ich schon. Michelins Überheblichkeit in Sachen Ich-weiß-was-über-Lesben-was-du-nicht-weißt hat mich schon mehr als einmal zur Weißglut gebracht.
    Ich beschließe, mich diesmal davon nicht beeindrucken zu lassen, stelle meine Kaffeetasse zur Seite und schlage den Ordner vor mir auf.
    Zehnuhrsiebenunddreißig.
    »Wie kommst du voran?«
    »Bitte?« Ich schaue zu Michelin rüber, die ihre Ellenbogen auf die Tischplatte gestützt hat und mich nachdenklich ansieht. Macht den Eindruck, als hätte sie mich schon eine ganze Weile so betrachtet.
    »Wie du vorankommst, wollte ich wissen. Hast du Probleme mit dem Konzept?«
    Vor mir auf dem Tisch liegt der unberührte Konzept-Bogen, auf dem in der letzten Stunde schon die ersten Einstellungen zu meinem nächsten Dreh hätten verschriftlicht werden sollen.
    Ich nicke langsam.
    »Ja, ich habe ein Problem. Aber nicht mit dem Konzept. Ich habe irgendein Problem mit mir. Seit der Trennung ist irgendwie alles anders geworden.«
    Meine Freundin, die mich jetzt schon über Jahre gut kennt, räuspert sich auf genau diese Art, auf die sie sich immer räuspert, wenn sie mir in einem schwierigen Thema zu widersprechen gedenkt.
    »Nicht erst seitdem«, hüstelt sie. »Ich habe es schließlich live mitbekommen. Das Problem tauchte auf und wurde größer und größer, als deine Zweifel an der Beziehung mit Lothar auftauchten und größer wurden. In genau der Zeit, als dir klar wurde, dass du mit Lothar nicht mehr die Zweisamkeit hast, die du dir … ach was, die wir uns alle irgendwie wünschen.«
    Ich lache vorsichtshalber ein bisschen. »Was? Das würde ja bedeuten, es geht mir jetzt schlecht, weil ich begreife, dass ich allein bin, und weil ich damit nicht zurechtkomme?«
    »Ja, das ist es ganz sicher auch.«
    Ich schüttele den Kopf. »Michelin, das kann doch nicht wahr sein! Ich habe immer auf eigenen Beinen gestanden, selbstbewusst, freiheitsliebend. Ich kann doch jetzt nicht in mich zusammenstürzen wie eine Sandburg – nur weil ich nicht mehr in einer Beziehung lebe. Brauche ich denn tatsächlich so dringend jemanden, der mir beim Frühstück gegenübersitzt?« Ich kann meiner Stimme den triefenden Sarkasmus anhören.
    In Michelins Gesicht steht Mitleid geschrieben, und das macht alles für mich noch schlimmer.
    »Was würde wohl Silbermond dazu sagen?«, fragt sie.
    Wie sie jetzt darauf kommt, weiß ich wirklich nicht.
    »Kann ich dir sagen. Sie hat gestern gemeint, dass ich vielleicht ein Zuhause noch mehr brauche als ein Gegenüber.«
    Jetzt ist es leise Anerkennung, die ich in ihren Zügen lesen kann, und Neugierde.
    »Echt nicht auf den Kopf gefallen, die Gute. Wundert mich nur, wie sie dich so gut einschätzen kann, obwohl sie dich doch im Grunde gar nicht kennt. Triffst du sie heute Abend wieder?«
    Keine Ahnung wieso, aber ich erschrecke ein bisschen. Mein Fuß rutscht mir aus, und ich trete Loulou, die sich unter den Schreibtischen lang gemacht hat, kurz und ruppig in ihr befelltes Hinterteil. Sie
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