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Das Gebot der Rache

Das Gebot der Rache

Titel: Das Gebot der Rache
Autoren: John Niven
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Erbrochenen, dem Anblick des blutgetränkten Schnees, stieg eine seit Ewigkeiten verschüttete Erinnerung in mir auf.

3
    Wir befinden uns auf einer Lichtung im Wald, unser Eimer ist voller Frösche und Kröten. Es sind Dutzende, aus dem Teich oben in Fox Gate. Sie winden sich in dem blauen Plastikeimer, krabbeln übereinander, springen hoch, versuchen zu entkommen. Winzige Frösche, nicht größer als ein Daumen, und aufgeschwemmte, schmierige Kröten von der Größe einer Männerfaust. Tommy wirft sie Richtung Banny, der mit angewinkeltem Bein – wie ein Baseballspieler – sein Vierkantholz schwingt. Immer wieder schlägt er ins Leere, und wir drei machen uns vor Lachen fast in die Hose, als die verwirrten Tiere mit ausgestreckten Beinen durch die Luft fliegen, ihre Silhouetten dunkle Sterne vor dem hellen Sommerhimmel.
    »Verdammter Mist!«, schimpft Banny. »Schmeiß sie nicht so fest!« Und Tommy tut ihm den Gefallen. Eine der größten, fettesten Kröten fliegt in sanftem Bogen direkt in Bannys Schlagweite. Dessen Knüppel saust herab und trifft. Als die Kröte zerplatzt, geht ein Regen aus zerfetzten Organen auf mich nieder, bespritzt mein Gesicht mit stinkendem Blut und Gedärm. Tommy und Banny johlen auf, während ich blinzelnd auf die Knie gehe und mich auf den warmen Waldboden übergebe.
    Wieder halbwegs bei Atem, hebe ich den Kopf und sehe nur einen Meter entfernt die Überreste der Kröte, Kopf und Vorderbeine, die sich immer noch bewegen. Als ich erneut würgen muss, höre ich die anderen im Hintergrund lachen. Tommy sagt: »Oh, verdammt! Hast du das gesehen? Die arme Sau hat sich ja die Seele aus dem Leib gekotzt!« Und Banny feixt: »O Mann, das darf ja nicht wahr sein! Was für’n beschissenes Weichei!«
    »Ihre frühesten Grausamkeiten«, heißt es später in einem Bericht, »verübten sie an Tieren.«

4
    Nachdem ich Herbys grausam verstümmelte Überreste in eine grüne Abdeckplane gepackt und im Poolhaus unter frischem Schnee deponiert hatte, damit Walt sie nicht sah, wenn er nach Hause kam, ging ich unter die Dusche. Während mein Blut unter dem warmen Wasser kribbelnd in meine ausgekühlten Extremitäten zurückkehrte, ging mir immer wieder diese eine Frage durch den Kopf: Wer oder was ist zu so etwas fähig?
    Im Wald traf man häufig auf Damwild, doch die Vorstellung, ein Hirsch würde Herbys weichen Bauch mit seinem Geweih aufreißen, war einfach absurd. Ein Bär? Aber wann war hier in der Gegend zuletzt ein Bär gesichtet worden? Und dann fiel mir plötzlich eine halbwegs plausible Erklärung ein: Wölfe. Hatte Ben Dorian nicht mehrfach von großen grauen Wölfen gesprochen, die gelegentlich die Mülltonnen hinter seiner Bar durchwühlten? Dieselben Wölfe, deren Rudel die Jäger manchmal während der Hirsch-Saison in den High Pines sichteten? Na klar: Wölfe, was sonst. Ich drehte meinen Kopf in den Wasserstrahl und ließ mir Stirn, Schläfen und Hals massieren.
    Nachdem ich mich angezogen hatte, rief ich in Sammys Büro an. Eine freundliche Stimme teilte mir mit, sie sei in einer Besprechung. Immer noch feucht von der Dusche, tigerte ich in Jeans und T-Shirt durchs Haus und wartete auf ihren Rückruf.
    Der erste Entwurf für unser Haus stammte von Lewis Foster, Kanadas führendem zeitgenössischem Architekten, gebaut wurde es vor fünf Jahren jedoch exakt nach Sammys Vorstellungen. Vierhundert Quadratmeter Wohnfläche verteilten sich auf zwei Etagen. Im oberen Stockwerk, dem eigentlichen Erdgeschoss, gruppierten sich fünf Zimmer, drei Badezimmer und die Küche um einen riesigen zentralen Wohnbereich. Im Untergeschoss befanden sich ein Freizeitraum mit Bar, antikem Billardtisch, Musikbox und Tischtennisplatte, außerdem eine Waschküche, ein Hauswirtschaftsraum, eine geräumige Garage mit vier Stellplätzen und Sammys Arbeitszimmer. Die Konstruktion bestand weitgehend aus dunklem Holz und Glas. Die blaue Tönung der Fenster (von denen es so viele gab, dass die Rechnung des Glasers sechsstellig war) schützte vor dem grellen Sonnenlicht, das gut die Hälfte des Jahres vom Schnee reflektiert wurde.
    Auf dem Außengelände gab es einen beheizten Swimmingpool mit dazugehörigem Poolhaus inklusive Werkstatt sowie einen Tennisplatz. Die Winter in Süd-Saskatchewan sind gnadenlos, die Sommer dagegen warm und trocken. Im Juli und August, der Zeit der Poolpartys und Barbecue-Abende, erreichen die Temperaturen häufig fast dreißig Grad. Diverse Wirtschaftsgebäude – Ställe, eine Meierei und
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