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Das Gebot der Rache

Das Gebot der Rache

Titel: Das Gebot der Rache
Autoren: John Niven
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eine Gartenhütte – stammten noch von der alten Farm, die wir für das Haus abgerissen hatten.
    Wir hatten auch immer noch die Stadtwohnung in Regina: ein Zweizimmerapartment im sanierten Warehause District. Die eigentliche Idee dahinter war, dort zu übernachten, wenn wir ins Theater, zum Essen oder zu einem Football-Spiel der Roughriders gingen. Was wir aber alles eher selten taten. Sammy nutzte das Apartment gelegentlich, wenn sie lange arbeiten musste oder frühmorgens eine Besprechung hatte.
    Das Ganze wurde natürlich nicht von meinen Filmkritiken für die Lokalzeitung finanziert. Nein, ich hatte es gut getroffen. Schwein gehabt, sozusagen. Das große Los gezogen. Wie immer man es ausdrücken will.
    Ein Klingeln schreckte mich aus meinen Gedanken, und ich griff nach dem nächsten schnurlosen Telefon. Auf dem LCD-Display leuchteten die Worte »Sams Büro«.
    »Und?«, fragte Sammy knapp, ganz im Arbeitsmodus.
    »Herby ist tot.«
    Eine Pause. »O nein. O Gott. So eine Scheiße .«
    »Ich weiß. Tut mir leid.«
    »Was ist passiert?«
    »Ich hab ihn unten am Trampelpfad gefunden, in der Nähe der Bushaltestelle …«
    »Oh, verdammt. Hat Walt …«
    »Nein. Ich konnte ihn ablenken. Es … irgendetwas muss ihn angefallen haben. Ein Wolf oder so was.«
    »Ein Wolf? Wann hast du je einen Wolf in der Nähe des Hauses gesehen?«
    »Na ja, ich weiß nicht, welches andere Tier so etwas … es sah ziemlich schlimm aus, Sam.«
    Noch eine Pause. »Und was sollen wir Walt erzählen?«
    »Keine Ahnung.«
    »Was hast du mit Herby gemacht?«
    »Ich habe ihn in eine Plane gewickelt, das meiste von ihm zumindest, und ins Poolhaus gebracht.«
    »Das meiste von ihm?«
    »Wie ich schon sagte, es war ziemlich schlimm, Sammy.«
    »Oh, verdammt, Donnie. Geht’s dir gut?«
    »Ja. Nur … der arme Hund. Verstehst du?«
    »Hör zu, du rufst besser die Polizei.«
    »Die Polizei?«
    »Ja. Wenn da draußen ein Wolf herumläuft, der Haustiere angreift, dann muss die Polizei informiert werden. Die Franklin-Jungs spielen ständig da unten. Du gibst Jan besser Bescheid. Und Irene auch.«
    »Na gut, ich rufe sie an.«
    »In Ordnung«, sagte sie mit stockender Stimme. »Ich gehe jetzt ein paar Tränen verdrücken.«
    »Bis heute Abend. Ich liebe dich.«
    Während ich überlegte, was wir Walt sagen würden, starrte ich aus den blau getönten Fenstern in die weiße Landschaft. Als mein Blick über den Waldrand streifte, verspürte ich ein wachsendes Unbehagen, als könnte ich die kalten Augen eines Raubtiers auf mir spüren, das immer noch dort lauerte, geräuschlos durchs Unterholz schlich, geduckt, mit hechelnder Zunge zwischen mächtigen Kiefern, aus denen dampfend der Geifer zu Boden tropfte, die Schnauze blutverschmiert, Fleischfetzen zwischen den Zähnen.
    Es heißt, dass ein Kind nacheinander lernt, den Tod eines Haustiers, der Großeltern und schließlich der Eltern zu verarbeiten. »Ach ja?«, rief ich in die Leere des Hauses, während ich mit dem Daumen im Adressbuch des Telefons die Nummer der Polizeidienststelle in Alarbus suchte. »Wer zur Hölle sagt das?«

5
    »Verdammt schöner Tag, was?«, sagte Officer Robertson, während wir zu der Stelle gingen, an der ich den Hund gefunden hatte. Er hatte darum gebeten, sie sich erst einmal ansehen zu dürfen.
    »Allerdings.« Selbst nach so langer Zeit war ich immer wieder überrascht, wie amerikanisch respektive kanadisch ich inzwischen klang. Auch wenn ich immer noch einen Akzent hatte. Mein rollendes »R« war ein Überbleibsel meines ehemals breiten Ayrshire-Dialekts, der immer dann besonders deutlich durchklang, wenn ich aufgeregt war oder mich ärgerte. Ich hatte versucht, ihn mir abzugewöhnen, sogar ziemlich erbittert, aber es war zwecklos. Er weigerte sich einfach zu verschwinden.
    Robertson war jung, Anfang zwanzig, gerade mal halb so alt wie ich. Unter seiner Mütze leuchtete buschiges, ingwerfarbenes Haar, an seinem Gürtel schaukelten Schlagstock, Taschenlampe, Handschellen und Pistole, als er über den zugeschneiten Pfad stapfte. Er war nach nur zwanzig Minuten hier gewesen. Vermutlich gab es auf der Polizeiwache von Alarbus gerade nicht viel zu tun. Ich stellte mir vor, wie die vier oder fünf Beamten, die dort arbeiteten, sich darum rissen, den Anruf entgegenzunehmen, hier rauszufahren und etwas Abwechslung in ihren Tag zu bringen. Alarbus ist ein wohlhabender Vorort von Regina, ein Haustiermord zählt dort vermutlich zu den spannenderen Ereignissen. Ich hatte die Wartezeit
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