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Das Gebot der Rache

Das Gebot der Rache

Titel: Das Gebot der Rache
Autoren: John Niven
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Hockeyteams, lokalpolitische Begebenheiten und persönliche Schicksale. Am Tag von Obamas Wahl war der Aufmacher eine Story über ein großes staatliches Förderprogramm für Viehbauern, und die Schlagzeile NEUER US-PRÄSIDENT! schmückte einen viertelseitigen Kasten rechts unten. Wie sollte ich ihm erklären, dass die Zeitung auf das Wohlwollen der Studio-Pressebüros angewiesen war, die uns mit Rezensionsexemplaren der DVDs und Trips zu den Pressevorführungen in Calgary und Toronto versorgten? Die mir gelegentlich Telefon-Interviews mit drittklassigen Filmsternchen organisierten, deren Niederschriften dann zu hysterischen »Filmstar spricht exklusiv mit dem Advertiser !«-Artikeln aufgebauscht wurden, die schamlos jeden Film anpriesen, den der Star gerade bewarb? Dass, kurz gesagt, der Advertiser nicht die New York Times und ich alles andere als ein Starkritiker auf der Höhe seiner Schaffenskraft war?
    »Mommys Zeitung druckt eigentlich über gar keinen Film schlechte Kritiken.«
    Er dachte einen Moment darüber nach. »Dann lügst du also?«
    »Es sind keine besonders großen Lügen, Walt.«
    »Hat dir denn die Stelle nicht gefallen, wo …«
    Walt redete weiter, den Blick auf seine Füße gerichtet, aber ich hörte schon nicht mehr zu.
    Etwas Rotes leuchtete im Schnee, ungefähr zwanzig Meter links von mir. Drumherum stolzierten weihevoll drei Krähen, die schwarzen Schwingen wie Arme steif hinter dem Rücken verschränkt.
    »Und dann die Stelle, als sie den Angriff auf …«
    Noch hatte Walt nichts gesehen. Wir waren jetzt fast an der Straße, und ich erkannte Jan Franklins graublauen BMW. Zusammen mit ihren beiden Jungs, Ted und Andy, saß sie im Wagen und wartete auf den Bus, der just in diesem Moment die Tamora Road heraufkam. Strahlendgelb schälte er sich aus dem endlosen Weiß heraus.
    »Los, komm schon, Walt!«, rief ich. »Da ist der Bus!« Ich hob ihn hoch und drückte ihn an meine Brust, sodass sein Gesicht in meinem Hals vergraben war, weg von dem roten Fleck im Schnee. Walt gluckste vor Vergnügen, als ich auf die Bushaltestelle zurannte. Ted und Andy stiegen nun aus dem Auto aus. Ich setzte Walt ab und drückte ihm einen Kuss auf die Wange – während der Bus zum Stehen kam, lief er bereits seinen Freunden entgegen. Von dem Sprint ganz außer Puste, hob ich die Hand zum Gruß, als Jan davonfuhr. Ich konnte Walt gerade noch ein atemloses »Bis später!« zurufen, da schloss sich auch schon die Tür hinter ihm.
    Ich wartete einen Moment und winkte dem Bus hinterher, bevor ich mich auf den Rückweg machte. Die Krähen erhoben sich gemächlich in die Luft, als ich mich ihnen näherte, und ließen sich dann in einiger Entfernung nieder, um mich zu beobachten.
    Ich schlug mir die Hand vor den Mund, um nicht zu schreien. Unser Hund lag rücklings in seinem eigenen Blut. Dort, wo es im Schnee versickert war, hatte es diesen rosa gefärbt. Herbys haarloser Bauch war von den Genitalien bis zur Schnauze aufgeschlitzt, das Tier regelrecht ausgeweidet worden.
    Die Wunde sah aus, als hätte sie jemand aufgestemmt: Aus dem aufgebrochenen Brustkorb ragten die Rippen wie die Pfeifen einer grotesken Orgel in die Höhe. Die Eingeweide waren aus der Bauchhöhle gerissen und ergossen sich in den Schnee. Beim Anblick von Herbys Kopf biss ich mir in den Handschuh, um die aufsteigende Übelkeit und die Tränen zu unterdrücken. Die Augenhöhlen waren schwarz, leer und blutumrandet – die Krähen hatten ganze Arbeit geleistet –, und seine Kiefer zu einem grimmigen, gequälten Fletschen erstarrt. Seine Zunge hing an einigen wenigen Sehnen zwischen den Zähnen heraus, als hätte er sie sich im Todeskampf abgebissen. Ich torkelte, meine zitternden Beine gaben nach, und ich kniete mich in den Schnee.
    Urplötzlich bewegte sich der Hund, sein linkes Hinterbein fing an zu zucken und zu treten. Zu Tode erschrocken kroch ich rückwärts.
    Der Kopf einer Ratte schob sich oberhalb der Genitalien aus dem Schlitz im Bauch. Blut tropfte von ihren Schnurrhaaren, als sie sich im Sonnenlicht schüttelte. Rasend vor Wut trat ich mit dem Stiefel nach ihr, doch sie tat einen gewaltigen Satz, wieselte davon und hinterließ eine klebrige, rote Spur.
    Ich rollte mich herum und gab meinen gesamten Mageninhalt von mir, Toast und Kaffee, der erst in meiner Kehle brannte und mir dann aus der Nase spritzte, um schmutzig braune Löcher in den Schnee zu schmelzen. Punkte und Sternchen tanzten vor meinen Augen – und mit dem sauren Geschmack des
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