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Das fünfte Verfahren

Das fünfte Verfahren

Titel: Das fünfte Verfahren
Autoren: Léo Malet
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rührend um ihn gekümmert. Der
Ingenieur saß in Sainte-Anne. Für immer. Unheilbar. Jetzt konnte nur noch
Dynamit-Burma die Situation retten. Ich schielte zu der Ledermappe hin, die ich
nach meinem ersten Marseille-Ausflug Hélène Chatelain überlassen hatte. Wegen
dieser Tasche hatte ich so sehr um die Sicherheit meiner Sekretärin gebangt,
damals, als ich tot war. Ja, ohne Nestor Burma und seine Auffassung von
Moral... Soviel Verantwortung stieg mir zu Kopf!
    Ich öffnete das Fenster. Die Nacht war
kalt, der Himmel mit Sternen übersät. Doch mir blieb keine Zeit, das Schauspiel
zu genießen. Es wurde gepfiffen. „Licht!“ schnauzte ein Mann vom Zivilschutz,
der zufällig ganz in der Nähe stand. Poesie verträgt sich nicht mit dem Krieg.
Ich zog mich wieder zurück, stopfte mir die nächste Pfeife und hing meinen
Gedanken nach. Von Zeit zu Zeit brachte ich den Ofen in Schwung.
    Es klingelte an der Tür. Ich stand
auf, um zu öffnen. Im Hausflur stand der Deutsche. Er war nicht alleine.
Flori-mond Faroux segelte in seinem Kielwasser.
    „Hallo!“ rief ich etwas verlegen. „Das
ist ja eine gelungene Überraschung, was?“
    „Ich hoffe, der Kommissar genügt Ihnen
als Garantie“, sagte der Mann mit den Steak-Wangen.
    „Zusammen mit dem Radio, ja.
Hereinspaziert! Meine Bibliothek ist geheizt.“
    Die beiden Männer folgten mir in den
angenehm warmen Raum und setzten sich. Ich blieb stehen, die Hände in den Taschen.
    „Sie machen ein komisches Gesicht“,
stellte der Geheimagent fest.
    „Mir gefällt es eben nicht, als
Blödmann dazustehen. Sie kannten sich also?“
    „Erst seit einigen Tagen. Kommissar
Faroux bekam nach dem Mord an Sdenko Matitch einen Geheimauftrag: Sie müssen
wissen, auch der französische Geheimdienst hat sich für Femeses Erfindung
interessiert. Sonst sind wir Konkurrenten, aber angesichts des Krieges und
unseres gemeinsamen Kampfes gegen die Nazis haben wir uns zusammengetan.“
    „Sie sollten Monsieur etwas
überreichen“, sagte der Flic zu mir.
    „Ja, aber erst nach den persönlichen
Botschaften“. Sagen Sie, Kommissar, Sie haben mir einiges verheimlicht. So
blind sind Sie gar nicht durch die Ereignisse gestolpert, stimmt’s?“
    „Ich mußte so viele Informationen wie
möglich über Sdenko Matitch und seine Verbindungen Zusammentragen. Das war
alles.“
    „Bei derartigen Aktionen geben wir uns
nicht mit Kleinigkeiten ab“, warf Blutiges Steak ein.
    Ich drehte an den geriffelten Knöpfen
meines Radiogeräts. „Hier BBC London“, schnarrte eine Stimme.
    „Dann wußten Sie also auch von
Fernèse?“ fragte ich meinen Freund.
    „Ja, er war mir nicht unbekannt... und
ich wußte auch, daß der Kroate seine Erfindung geklaut hatte.“
    „Beinahe hätte ich Bonvalet von ihm
erzählt. Ihr Kollege besaß Geheiminformationen über Saint-Gaudens. Doch ich
hab’s mir verkniffen. Sonst hätten Sie sofort gemerkt, daß ich mehr wußte, als
ich zugab, und die Dinge wären anders verlaufen, als sie verlaufen sind.“
    „Verdammt und zugenäht!“ schimpfte
Faroux. „Und Sie haben die Frechheit, mir mangelnde Offenheit vorzuwerfen!
Woher kannten Sie Fernèse?“
    Ich berichtete von dem Drama in der
Klinik. Die Schnurrbarthaare des Kommissars zitterten.
    „Also, wirklich!“ rief er. „Dieser
Nestor sitzt immer in der ersten Reihe! Von dem Überfall auf die Klinik habe
ich erst nach meiner Rückkehr erfahren. Übrigens, das wird Sie freuen: Der
Mörder von Frédéric Delan ist gefaßt worden. Er war kein Komplize von Jackie
Lamour, nur ein gemieteter Killer. Sehr redselig, nebenbei gesagt... Hier in
Paris bekam ich neue Anweisungen. Eine davon bestand darin, Monsieur hierher zu
begleiten. Monsieur ist nicht wirklich bei der Gestapo, was mich sehr
erleichtert hat.“
    Das Radio knackte und rauschte. Die
Folgen der offiziellen „Störungen“.
    „Es folgen die ‚persönlichen
Botschaften’“, schnarrte es. Wir schwiegen und lauschten atemlos.
    „Der Hut des Mädchens sieht aus wie
der Briefträger... Kleopatra fährt mit dem Fahrrad in die Grüne Bar... Wichtig...
Gespenster haben keine Heimat... Wir wiederholen: Wichtig... Gespenster haben
keine Heimat... Lassen Sie nicht…“
    Ich schaltete das Radio aus, ging zu
der Ledermappe, öffnete sie, entnahm ihr ein Döschen mit einem Rollfilm und
reichte es dem Deutschen.
    „Hier ist die Kopie der Briefe“,
erklärte ich.
    „Scheiße nochmal!“ fluchte Faroux.
    Blutiges Steak lächelte und öffnete
nun seinerseits eine
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