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Das fünfte Verfahren

Das fünfte Verfahren

Titel: Das fünfte Verfahren
Autoren: Léo Malet
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Verrückte
hatte das Zimmer verlassen, zusammen mit Paulot, seinem individuellen
Krankenwärter.
    Das Trio redete über das Vorgefallene
und beachtete mich gar nicht. Ich verkniff mir jede Bewegung. Erstens tat mir
alles weh, und zweitens hatte ich’s nicht eilig, wieder von der Bande
bearbeitet zu werden. So, als Ohnmächtiger, hatte ich meine Ruhe; auch wenn es
verführerischere Rollen gibt.
    Ich lag auf dem staubigen Fußboden,
hinter dem Tisch, das heißt, ein wenig außer Reich- und Sichtweite. Inzwischen
war ich wieder vollständig zu mir gekommen und konnte meinen Blick unauffällig
schweifen lassen. Der Boden war mit allem möglichen Kram übersät. Direkt vor
meiner Nase lag ein maschinengeschriebenes Blatt Papier. Mit etwas gutem Willen
und viel Mühe konnte ich es lesen. So dachte ich. Doch dann mußte ich
feststellen, daß der Text auf deutsch verfaßt war. Ich verdoppelte die Mühe —
mein guter Wille reichte bereits vollkommen aus! — , die Augen taten mir weh,
viele Worte kannte ich nicht. Doch das wenige, das ich verstand, erlaubte mir,
den Sinn zu rekonstruieren.
    Das Dokument stammte aus der Abteilung Planung und Forschung der Erdölgesellschaft und war an den Agenten M5
gerichtet. Dieser wurde aufgefordert, sich mit André Clément in Verbindung zu
setzen. Weitere Wörter, die ich verstand, waren: Vereinbarung, Kauf, Entdeckung
und Fünftes Verfahren.
    Wahrscheinlich gehörte das Dokument
Rotkartoffel und war aus seiner Brieftasche gerutscht. Auf welche Weise es mir
zu Gesicht kam, war jedoch nicht so wichtig. Das Sensationelle daran war auch
nicht der letzte Satz — „nach Kenntnisnahme vernichten“ — , sondern die
Tatsache, daß es eben nicht vernichtet worden war.
    Bei meinem letzten Gespräch mit Marc
Covet war mir schon so eine seltsame Idee gekommen. Jetzt, da ich dieses Papier
vor Augen hatte...
    „Na, Flic, bist du aufgewacht?“
    Ganz in Gedanken versunken, hatte ich
nicht bemerkt, daß die Furie neben mir stand. Sie untermalte ihre Frage mit
einem gezielten Fußtritt.
    „Das ist also der berühmte Nestor
Burma! Ein alter Bekannter von mir“, erklärte sie ihren Komplizen, um sich dann
wieder mir zuzuwenden: „Sieht so aus, als hätte er mir ‘n üblen Streich
gespielt! Setz ihn richtig hin, André, damit ich seine dreckige Visage sehen
kann!“
    Dédé packte mich rücksichtslos und
lehnte mich gegen die Wand wie eine Mumie oder wie ein Brett, das man sich zum
Hobeln vornimmt. Jackie Lamour verpaßte mir auch prompt eine doppelte Ohrfeige,
so kräftig, daß ich beinahe wieder umgefallen wäre. Die Tänzerin war wirklich
außer sich vor Wut.
    „Du wirst mir jetzt sofort sagen,
welche Rolle du spielst“, stieß sie hervor. „Ist Monsieur ein Ganove, ein
Unterschriftenfälscher? Seit deinem Coup in meiner Villa hab ich nichts als
Ärger! Aber nicht genug damit, jetzt stehst du mir schon wieder im Weg! Los,
red schon, sonst stech ich dir mit meiner Nagelfeile die Augen aus!“
    Das hätte das Weib tatsächlich getan,
ich zweifelte nicht daran.
    „Ja, ja, schon gut“, sagte ich
unterwürfig. Es war nicht der Moment, einen anderen Ton anzuschlagen. „Ja, ich
habe Ihnen die Briefe geklaut. Konnte ich denn ahnen, daß Ihnen soviel an dem
Geschreibsel liegt? Ich bin Privatdetektiv, verdammt nochmal, kein Chorknabe!
Ein Klient bezahlt mich, und ich erledige seinen Auftrag. So ist das. In diesem
Fall hat der Kerl mich reingelegt. Ich wollte ihn mir vorknöpfen und machte
mich auf die Suche. Aber leider, leider, er war inzwischen schon selbst
abgekratzt. Was sollte ich tun? Solche Sachen lassen mich nicht los. Also
schnüffelte ich hier und da rum, weil ich nämlich von Natur aus neugierig bin.
Außerdem mag ich es nicht, wenn man mich reinlegt. Und genau davon bin ich
überzeugt: Man hat mich von Anfang an benutzt wie eine Schachfigur.“
    Sie lachte, ging zum Tisch, auf dem —
wie ich sah — jetzt der gesamte Inhalt meiner Taschen lag, und zeigte auf die
Banknoten:
    „Damals wußte Bernard nicht, daß damit
dein Sarg bezahlt werden würde... und sein eigener auch! André, steck das Geld
in meine Tasche. Das hätten wir immerhin! Und das auch.“ Sie hielt Dédé meinen
Revolver hin, den aus der Vielfrucht. „Das ist ja ‘n Brocken! Wie kann
man nur so was mit sich rumschleppen, Nestor! Oder bist du so kräftig? Aus
Spanien, was? Werd den Ballermann als Souvenir behalten. Und wenn ich gefragt
werde, woher ich ihn habe, sage ich: Den hat mir ein Privatdetektiv geschenkt.
Der
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