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Das fünfte Verfahren

Das fünfte Verfahren

Titel: Das fünfte Verfahren
Autoren: Léo Malet
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dachte, das sei der richtige
Augenblick für meinen Auftritt. Das würde den Mann noch mehr ins Schwitzen
bringen. Dabei war die Temperatur gar nicht danach! Ich schob meine Hand in die
Manteltasche und...
    ...spürte einen Druck zwischen den
Rippen. Irgend etwas wurde mir in die Seite gepreßt. Wenn ich Optimist wäre,
hätte ich auf einen Pfeifenstiel getippt. Aber ich bin nun mal kein Optimist.

17

Rotkartoffel oder Blutiges Steak?
     
     
    „Hände hoch und rein da! Und keine
Faxen!“ zischte eine weibliche Stimme.
    Jackie Lamour hatte einen hübschen
Mund, der manchmal weniger Hübsches hervorbrachte. Ich gehorchte. Sie stieß die
Tür mit dem Fuß auf.
    „Besuch!“ verkündete sie.
    Wir hatten einen gelungenen Auftritt.
Dédé hörte auf, wie ein wildes Tier im Käfig hin und her zu laufen.
Rotkartoffel machte Anstalten, seinen massigen Körper aus dem abgewetzten
Sessel hochzuwuchten. Baff waren sie, einfach baff! Und übel sahen die beiden
aus, von nahem noch viel mehr als von weitem. Mußte schon eine verdammt lange
Zeit her sein, seit hier in der Gegend Seife ausgegeben worden war.
    Die Tänzerin jedoch schlug die beiden
um Längen: Ihr Kleid war zerknittert, die Strümpfe waren verrutscht und hatten
Laufmaschen, und das Make-up war seit langem nicht erneuert worden.
    „Na, mein Süßer? Es kommt mir so vor,
als hätten wir uns schon mal irgendwo gesehen“, sagte sie ironisch zu mir.
    Auch wenn ich richtig schön in der
Falle saß, die Arme über den Kopf erhoben, mit dem entsprechenden Gesicht, ließ
ich mich dennoch nicht unterkriegen.
    „Vielleicht im Fourcy “,
erwiderte ich. „In dem Bumslokal treib ich mich häufiger rum.“
    „Etwas höflicher, wenn ich bitten
darf!“
    „Ach, dann kennst du’s also?“
    Das kam schlecht bei ihr an. Hätte gar
nicht gedacht, daß sie so sensibel war.
    „Du verdammter...“
    Wutentbrannt versetzte sie mir eine
schallende Ohrfeige. Darauf hatte ich nur gewartet. Ich schlug ihr die Waffe
aus der Hand, und gleichzeitig schlug ich ihr so heftig mit der anderen Faust
zwischen die Brüste, daß sie zurücktaumelte. Lieber hätte ich sie gestreichelt,
doch die Situation erlaubte keine Zärtlichkeiten. Ich griff nach meinem
Revolver. Ein Schuß fiel, allerdings nicht aus meiner Kanone. Ich spürte im
Oberarm einen Schmerz, so als hätte mich ein rotglühender Hammer getroffen. Ich
schwankte, drehte mich um. Im Türrahmen stand Paulot, in der Hand eine
rauchende Feuerwaffe. Der Bursche war gekommen, um sich für die K.o.-Niederlage
in Saint-Barnabé zu rächen. Doch das war erst die Anzahlung. Die Gebrüder
Clément und Jackie Lamour stürzten sich auf mich und spielten mit mir Walzwerk.
Warum hatte ich mir vorher nur so sehnlichst gewünscht, möglichst schnell in
die Horizontale zu gelangen?! Meine Bitte schien erhört worden zu sein. Man
konnte eine Tragbahre für mich bestellen. Rotkartoffel hielt sich bei dem
Schlachtfest zurück. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie er die Lampen aus der
Nähe des Boxrings entfernte.
    Die beiden nahmen mich gerade so
richtig in die Mangel, als der Verrückte in der Ecke plötzlich einen seiner
berühmten Anfälle bekam.
    „Lawrence! Lawrence!“ schrie er. „Das
Fünfte Verfahren! Das Fünfte Verfahren!“
    Es zerriß einem das Herz... und das
Trommelfell. Mich schmerzte es beinahe mehr als die Prügel, die ich bezog.
    In diesem Augenblick mußte ich wohl
das Bewußtsein verloren haben.
     
    * * *
     
    Langsam, unsäglich langsam kletterte
ich wieder an die Oberfläche. Auf der ganzen Welt läuteten die Sturmglocken.
Oder aber der Planet verbrannte, oder es brach schon der nächste Weltkrieg aus.
Ich war auf jeden Fall nicht mit von der Partie, hatte weder Arme noch Beine.
Ein entferntes Brummen folgte auf die Glocken. Dann hörte ich hier und da ein
Wort, das keinen Sinn ergab. Nach und nach stellte sich alles um mich herum
wieder auf die Beine. Meine Hutgröße mußte sich verdreifacht haben, und der
Kopf tat mir höllisch weh. Mehr als der Arm, der was abgekriegt hatte und jetzt
verbunden war, wie mir schien. Als nächstes bemerkte ich Draht an meinen
Gelenken, der sich in das schmerzende Fleisch schnitt. Im Raum wurde geredet.
Vorsichtig öffnete ich ein Auge.
    Dédé rannte wie üblich im Zimmer hin
und her. Mit zerzausten Haaren, Zigarette im Mund, saß Jackie Lamour auf einem
Stuhl. Ihr Kleid war überall zerrissen. Spuren meiner Gegenwehr. Ich hatte
genommen, aber auch gegeben. Rotkartoffel saß in seinem Sessel. Der
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