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Das fünfte Verfahren

Das fünfte Verfahren

Titel: Das fünfte Verfahren
Autoren: Léo Malet
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ein
brennendes Streichholz unter das Papier. „Mit diesem Brief konnte ich mich bei
Jackie Lamour & Co. als Agent M5 ausweisen.“ Mit dem Fuß trat er die
Asche aus. „Den Rest kennen Sie.“
    „War es Ihre Idee“, fragte ich nach
einer kleinen Pause, die ich zum Pfeifestopfen nutzte, „mich in Paris ins
Gefängnis zu stecken?“
    „Ja, das war meine Idee. Ich habe mir
folgendes gedacht: Sie wittern einen Fall, ein Geheimnis. Anstatt sich schön
ruhig zu verhalten, werden Sie, neugierig wie Sie sind, Ihre Nase in Dinge
stecken, die Sie nichts angehen. Da ich keinen lästigen Schnüffler — Sie
entschuldigen! — gebrauchen kann, muß ich Sie einsperren lassen. Daß Sie mir
entwischt sind, hat mir überhaupt nicht gefallen.“
    „Haben Sie meine erste Reise nach
Marseille mit Matitchs Tod in Verbindung gebracht?“
    „Wenn ich das getan hätte, hätte ich
versucht, mit Ihnen zusammenzuarbeiten. Das hätte uns einige Umwege erspart.“
    „Hm...“ brummte ich skeptisch. „Was
Sie hier herausgefunden haben — angenommen, Sie haben hier was rausgefunden — ,
das hätten Sie auch in Paris herausfinden können. Aber vielleicht wäre ich
nicht so umgänglich gewesen wie heute. Obwohl... Na ja, ich war mehrmals drauf
und dran, Sie im Moderne zu besuchen. Übrigens, haben Sie mich im Hotel
erkannt?“
    „Erkannt? Nicht mal bemerkt hab ich
Sie! Und warum haben Sie mich nicht besucht?“
    „Weil ich an die Zukunft gedacht
habe.“
    „Wie immer“, lachte er.
    „Wie immer“, stimmte ich zu. „Und aus
diesem Prinzip heraus... Ich sagte, ich sei jetzt umgänglicher als in Paris.
Genauso ist es. Durch Ihr Verhalten habe ich einige meiner Urteile über Sie
revidiert. Ich habe sogar einen ganz bestimmten Verdacht, den Sie nicht
ausräumen können. Aber... Man kann sich irren, nicht wahr? Sowohl Sie als auch
ich. Sie spielen mit einem Spezialobjektiv und sagen: Privatdetektiv,
stimmt’s?“, so als fragten Sie: ,Ist doch so, oder? Kein Zweifel?1 Ich bemerke
lediglich, daß Sie einen scharfen Blick haben. Ein Urteil, das keines ist. Man
kann ihm auch eine andere Bedeutung unterschieben, und alles fällt in sich
zusammen. Einen anderen Beweis habe ich nämlich nicht, was Sie angeht.“
    „Vorsicht ist immer gut“, sagte er und
nickte zustimmend. „Wir haben den Fall hin und her gewendet, aber nicht einen
Augenblick haben wir den wesentlichen Punkt angesprochen.“
    „Dafür brauche ich noch einen weiteren
Beweis“, gab ich zurück.
    „Hören Sie, Sie haben doch ein Radio
zu Hause, nicht wahr? Ich beabsichtige, Sie in Ihrer Pariser Wohnung zu
besuchen, um ein Gläschen mit Ihnen zu trinken. Denken Sie sich einen Satz aus,
und ich lasse ihn durch die BBC senden. Sie können bestimmen, wann; aber nicht
in den nächsten zehn Tagen, ich habe nämlich noch so einiges zu erledigen.
Würde Ihnen das als Beweis genügen?“
    „Vollkommen.“
    „Nun, dann wählen Sie einen Satz.“
    „Gespenster haben keine Heimat.“
    „Oh, oh“, gluckste er, wobei seine
Steak-Wangen wackelten, „das ist ja richtig poetisch! Sind Sie obendrein auch
noch ein Dichter?“
    „ Obendrein ist gut“, erwiderte
ich.

18

Gespenster haben keine Heimat
     
     
    Der zapplige Dédé hatte anscheinend
seine Nervosität auf mich übertragen. Nestor, der Zappelphilipp! Die Kiefer
taten mir weh, so angestrengt biß ich auf den Pfeifenstiel. Zehn Tage war es
jetzt her, daß Blutiges Steak mich nach Paris zurückgebracht hatte. Seitdem
hatte ich weder von ihm noch von der deutschen Polizei etwas gehört. Was die
Deutschen anging, so war das ein gutes Zeichen. Es sei denn... Ich sah auf die
Uhr. In einer Stunde würde ich wissen, woran ich war. Ich würde reich sein...
oder gehenkt werden. Und wenn ich nicht sofort gehenkt werden würde, wenn der
Kerl noch schlauer und verschlagener war, als ich annahm, dann würde ich
erschossen werden. Danach.
    Im Radio dudelte imitierter Jazz.
„Besatzungs-Jazz" nannten wir das. Vor mir lag die rote Schachtel. Ich
betrachtete sie mit gemischten Gefühlen. Von ihr hing eine ganze Menge für mich
ab. Wenn gleich der Satz Gespenster haben keine Heimat in den
„persönlichen Botschaften“ gesendet würde, konnte ich damit rechnen, den Fall
glücklich abzuschließen.
    Ich fragte mich, wo der Deutsche sich
wohl im Moment aufhielt. Er wolle nach Marseille zurückfahren, hatte er mir
gesagt. Höchstwahrscheinlich war er jetzt auf dem Weg zu mir. Übergangslos
dachte ich an Fernèse. Blutiges Steak hatte sich
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