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Das fünfte Verfahren

Das fünfte Verfahren

Titel: Das fünfte Verfahren
Autoren: Léo Malet
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an,
der, das könne ich doch verstehen, nicht wahr?, die Sorgen von Madame Flamant
nicht einfach beiseite schieben konnte, vor allem weil die Deutschen, ah!, die
Deutschen! (herzzerreißende Seufzer des Duos Faroux-Belloir), weil die ihre
Nasen bestimmt in die Angelegenheit stecken würden... Ich schnappte mir Koffer
und Ledermappe und machte, daß ich wegkam.
    In der Nähe der Gepäckaufbewahrung
begegneten mir zwei Männer: Lodenmäntel, grüne Hüte, rote Gesichter und
Goldrandbrillen. Ohne jemals in Berlin gewesen zu sein, wußte ich, daß die
Ganoven um den Alexanderplatz solche Typen nicht riechen konnten.
    In Gedanken wünschte ich Kommissar
Belloir viel Glück.

Nestor Burmas Tod
     
     
    Der Messingknopf an der Tür glänzte
wie ein neuer Sou. Das Eisenrähmchen über der Klingel war eigentlich für eine
gediegene Visitenkarte gedacht und nicht für einen so schmuddeligen Zettel mit
dem Namen Hélène Chatelain.
    Eine Stimme drang an mein Ohr. Eine
brüchige Stimme, die eines Greises. Ich fand, meine Sekretärin ging zu weit.
Doch dann hörte ich: „...Unser Reich... großes Unglück... Waffenstillstand...
verteidigen...“ Das beruhigte mich. Im Radio wurde eine Botschaft von Marschall
Pétain anläßlich der Vorgänge in Algier übertragen. Ich unterbrach die Rede mit
mehreren ungeduldigen Klingelzeichen. Hélène öffnete mir.
    „Tag, Chef“, sagte sie.
    Sie kam gerade aus dem Bett. Es war
elf Uhr vorbei.
    „Wenn die Katze nicht zu Hause ist,
tanzen die Mäuse auf dem Tisch“, bemerkte ich.
    „Sehr originell“, brummte sie
spöttisch. „Sie sollten öfter verreisen. Das bildet.“
    „Hier läßt es sich besser aushalten
als in der Agentur, was?“
    Sie zeigte auf eine Heizsonne.
    „So was gibt es im Büro nicht.
Aber...“
    Sie faßte mich am Arm, wirbelte mich
um meine eigene Achse und stellte mich in das gelbliche Licht, das eine
kraftlose Sonne im Zimmer verbreitete.
    „Ach!“ rief sie. „Haben Sie endlich
auf Ihre kleine Hélène gehört und sich die Bürste abrasiert? So sehr lieben Sie
mich also?“
    „Lassen Sie den Quatsch und geben Sie
mir lieber was zu trinken! Ich habe höllischen Durst.“
    Sie öffnete ein Büfett, entnahm ihm
eine nicht mehr volle Flasche und ein großes Glas.
    „Das wird Sie munter machen“, sagte
sie.
    Ich trank. Es war Rum. Mit einem
strahlenden Lächeln auf ihrem hübschen Gesicht betrachtete mich meine
Sekretärin.
    „Sagen Sie mal, haben Sie mit einem
Kater gekämpft, oder haben Sie den Schnäuzer freiwillig abrasiert? Muß wohl
sehr schmerzhaft gewesen sein, hm?“
    „Ich hab die Operation auf der
Toilette des Schnellzugs Marseille-Paris vorgenommen, bei bläulichem
Zivilschutzlicht, geschüttelt und gerüttelt, und außerdem mit einer verdammt
stumpfen Klinge...“
    „Armer Liebling!“
    „Ich hab das nicht gemacht, um Ihnen
zu gefallen. Hatte nur Lust, mit einer blonden Spionin zu schlafen. Und dabei
waren die Schnurrbarthaare im Weg.“
    „Mit einer blonden Spionin! Wie
leidenschaftlich! Dann hatten Sie also eine... äh... bewegte Reise?“
    „Sehr. Bei der Ankunft in Paris
belebte eine Leiche ein Abteil, wenn man das so sagen kann.“
    „Das Gegenteil hätte mich überrascht.
Wer war das?“
    „Ein Mann namens Milan Kostich, Serbe.
Wir haben denselben Schneider.“
    Ich erklärte ihr den Vorfall. Hélène
hörte auf, Witze zu machen. Ihre grauen Augen bekamen einen metallischen Glanz.
    „Und Sie glauben...“
    Ich zuckte die Achseln.
    „Ja... Verrückt, aber wahr. Ich kann mich
des Eindrucks nicht erwehren, daß dieser Kostich statt meiner eine Fahrkarte
ins Paradies gelöst hat. Oder ins Fegefeuer... oder in die Hölle. Je nach der
Anzahl seiner Sünden.“
    Wir legten eine Schweigeminute für
meinen verblichenen Stellvertreter ein. Dann stand ich auf und füllte mein Glas
nach.
    „Eine ernste Geschichte“, sagte ich.
„Der Kerl war Mitglied bei den Nazis oder einer ähnlichen Gruppierung.
Vielleicht gehörte er sogar einer geheimen Abteilung der N.S.D.A.P. an. Die
Deutschen werden sich auf den Fall stürzen, vor allem jetzt nach der Landung,
die sie ziemlich nervös gemacht hat...“
    „Apropos, diese Landung, was...“
    „Oh, nicht schon wieder!“ stöhnte ich.
„Hören Sie auf damit.“
    Ich leerte mein Glas, ließ die
Ledermappe bei ihr zurück und ging zu mir nach Hause. Ich mußte nachdenken und
schlafen. Vor allem schlafen.
     
    * * *
     
    Trotzdem, die Landung der Alliierten
hatte ihr Gutes. Durch dieses Ereignis gelang es
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