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Das fünfte Verfahren

Das fünfte Verfahren

Titel: Das fünfte Verfahren
Autoren: Léo Malet
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an, als wär’s die letzte,
und setzte sich vor seine Schreibmaschine. Faroux bat mich, meine Geschichte zu
wiederholen. Ich kam seiner Aufforderung bereitwillig nach. Wenn alle begriffen
haben würden, daß ich die Wahrheit sagte und genausowenig wie sie eine
Erklärung für den Mord parat hatte, in den ich übrigens nur durch eine
ärgerliche Kleidungsfrage verwickelt war, dann, ja dann würden sie mir
eventuell meine Freiheit wiedergeben und ich könnte endlich ein Gläschen
trinken gehen. Danach verspürte ich nämlich ein unbändiges Verlangen, das auf
diesem feindseligen Polizeirevier wohl kaum gestillt werden konnte. Außer dem
Leitungswasser und den Beerdigungsgesichtern gab es nichts Erfrischendes.
    Ich erklärte also, daß ich aus
Marseille käme, wohin mich eine berufliche Angelegenheit geführt habe. Ein
gewisser Robert Beaucher, Industrieller, habe mich gebeten, ein paar flammende
Briefe für ihn aus dem Feuer zu holen. Ein engelsgleiches Wesen habe den Teufel
an die Wand gemalt und ihm gedroht, seine zärtlichen Geständnisse zu
verschicken, an die Gattin meines Auftraggebers persönlich. Wie üblich habe
Nestor Burma seine Mission zur vollsten Zufriedenheit ausgeführt.
    Ohne nach weiteren Einzelheiten zu
fragen, wofür ich ihm sehr dankbar war, ließ Faroux durchblicken, daß es ihm
scheißegal sei, was ich in Marseille getrieben habe. Um so mehr, da er mich so
kenne, wie er mich kenne, und mich durchaus für fähig halte, irgendein
plausibles Märchen zu erfinden. Was ihn jedoch interessiere, aber bitte schön,
ja, Vorsicht..., das sei diese Geschichte mit dem Schnäuzer und der Zwillingskleidung.
    „Sie verstehen, das ist eine heikle
Angelegenheit“, sagte er und schielte zu Monsieur hinüber, der traurig mit dem
Kopf nickte. „Wenn da nicht dieses verdammte Abzeichen wäre... Übrigens seh ich
so’n Ding zum ersten Mal. Und Sie?“
    „Ich auch“, sagte ich.
    „Ich kenne die Abzeichen der SS, der
SA und sechsunddreißigtausend anderer Gruppierungen. Aber das hier ist mir
völlig unbekannt. Wissen Sie nicht, was es bedeuten könnte?“
    Ich sagte nein, was nur halb gelogen
war.
    „Tja“, fuhr Faroux fort, „ohne dieses
Hakenkreuz wären Sie bereits zu Hause. Aber ich möchte die Sache klären, um
keinen Ärger mit den Deutschen zu kriegen... und deshalb muß ich jeden Zeugen
vernehmen.“
    „Natürlich.“
    „Außerdem kann ich nicht einfach diese
Madame... Madame... äh...“ Er wühlte in Papieren. „...Madame Flamant zum Teufel
schicken, weil sie nur Geschäftsfrau ist, Sie dagegen jedoch Privatdetektiv.
Wir können uns nicht den Luxus erlauben, voreingenommen zu sein. Die Dame hat
Ihr Verhalten verdammt streng beurteilt. ,Seltsam und verdächtig“, das waren
ihre Worte.“
    „Madame Flamant? Die Frau von Jules?“
    „Genau die. Sie haben einen Teil der
Reise zusammen mit dem Paar im selben Abteil gesessen und die Frau wegen der
Landung der Alliierten beleidigt... Ich weiß nicht, ob Sie dafür oder dagegen
waren...“
    „Oh, fangen Sie auch schon damit an?
Ich war lediglich gegen dieses müßige Cafe-Geschwätz. Hab sie gebeten, die
Platte zu wechseln. Und daß wohlerzogene Leute nicht über den Krieg sprächen,
hab ich gesagt...“
    „Wohlerzogene Leute!“ seufzte Faroux.
„Und mit dieser Bemerkung haben Sie das Abteil verlassen... Hier in Paris
angekommen, entdeckten dann einige Reisende, darunter Madame und Monsieur
Flamant, die Leiche von Milan Kostich. In dem Toten erkannte Madame Flamant den
ungehobelten Kerl von gestern abend wieder, und prompt wird sie wieder von
Ihnen angepflaumt... Erstens: Was hatten Sie in diesem Waggon zu suchen?“
    „Ich ging über den Bahnsteig zum
Ausgang, als mir der Bahnhofsvorsteher und zwei Flics entgegenkamen. Sie hatten
tragische Mienen aufgesetzt. Das hat mich interessiert, schon aus beruflichen
Gründen.“
    „Gut. Warum hatten Sie bei der Abfahrt
in Marseille einen Schnurrbart, den Sie bei der Ankunft in Paris nicht mehr
hatten?“
    Ich erzählte ihm die Sache mit der
blonden Spionin. „Gut“, sagte Faroux wieder.
    Er kannte mich lange genug, um zu
wissen, daß ich zumindest in diesem Punkt die Wahrheit sagte. Es folgten noch
ein paar Fragen. Hatte ich meinen Kleider-Zwilling auf dem Bahnhof von
Saint-Charles bemerkt? War ich ihm vielleicht auf dem Gang im Zug begegnet? Ich
antwortete auf beide Fragen mit „Nein“, und die Unterhaltung war beendet. Ich
unterschrieb meine Aussage, nahm die Entschuldigung von Florimond Faroux
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