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Das fuenfte Maedchen

Das fuenfte Maedchen

Titel: Das fuenfte Maedchen
Autoren: Gillian Philip
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Rachegötter und das Gleiche galt für Tom Jerrolds Wagen. Egal was passierte, es stand nicht in meiner Macht.
    Ich erhaschte einen Blick auf ein Gesicht im Rückspiegel, doppelt so alt wie meins, grimmig und angespannt, gekrönt von dunklem, gefärbtem roten Haar, das ihr in die Augen fiel. Die niederträchtigste Elfe. Ich mochte sie. Sie hatte keine Stimme, aber die brauchte sie auch nicht. Quer über dem Hals ging die Laufschrift: Objekte im Spiegel sind näher, als es scheint. Ich grinste sie an und sie grinste zurück.
    Ich bedachte Foley mit demselben Grinsen. Es war, als könnte ich seine Gedanken lesen. Er wollte dies nicht tun, aber er wollte mich auch nicht enttäuschen, wollte nicht so handeln, als sei er nicht auf meiner Seite.
    Â»Wir sollten es lassen«, sagte er nur. Ein letzter Appell. »Ruby.«
    Ich hatte es nicht in der Hand. »Es ist nur ein Auto«, sagte ich.
    Wir drückten fest gegen unsere jeweiligen Türen, sahen einander dabei nicht an, sondern schauten zum Klippenrand und der glitzernden See hin. Wir mussten einander nicht ansehen. Wir schoben mit vereinten Kräften und es war schockierend leicht. Das Auto wollte wirklich mit uns gehen, wollte ganz allein einen herrlichen Todessprung ausführen. Leichter und leichter rollte es mit uns den sanften Abhang hinab. Ich fing an zu joggen und meine beiden Katzenanhänger lösten sich aus meinem T-Shirt und schlugen mir gegen das Brustbein.
    Wie aus einer parallelen Welt hörte ich einen Wagenmotor. Es war mir egal. Ich hörte, wie er erstarb, hörte eine Tür zuschlagen, dann noch eine. Ein schriller Schrei, ein Protestruf. Doch ich schob weiter, stärker, entschlossen.
    Foley war derjenige, der zögerte. Er hörte sofort auf zu schieben. So viel zum Thema Verbindlichkeit.
    Ich war abhängig von seinen Anstrengungen, von unserer perfekten Teamarbeit, und war überrumpelt, als er nachließ. Und zum ersten Mal widersetzte das Auto sich seinem Schicksal. Durch den Schwung, den wir aufgebaut hatten, rollte es ein wenig weiter, rumpelte, rollte.
    Dann blieb es stehen.
    Ich schrie frustriert auf und wandte mich um, wollte sehen, wer die Eindringlinge waren. Doch schon stand die Dicke Bertha vor mir, mit Flip-Flops, ihre gesamten sieben oder acht Quadratmeter (so fühlte es sich jedenfalls an). Sie war sicher zu einer romantischen Fahrt mit dem Aufblasbaren George unterwegs, denn er war auch da und schrie Foley an, aber ich konnte nicht verstehen, was er sagte. Bertha schrie nicht, sie starrte mich einfach nur an. Ich hielt ihrem finsteren Blick so lange wie möglich stand, legte dann ruckartig den Kopf schief und schnaubte wütend, so als hätte ich die ganze Zeit nur ein paar Eissturmvögel böse angucken wollen.
    Berthas Schweigen war schlimmer, als wenn sie gebrüllt hätte, und jetzt war auch der Aufblasbare George verstummt. Foleys betretener Gesichtsausdruck war ein Bild für die Götter. Mir war nach Lachen zumute und ich hätte es auch getan, wenn sich unsere Blicke getroffen hätten.
    Aber er sah mich nicht an. Ich stellte fest, dass ich seinen silbernen Katzenanhänger zwischen den Fingern drehte.
    Â»Es ist nur ein Auto«, sagte ich schließlich. Ich schob die silberne Katze unter mein T-Shirt, ebenso die mit dem Zyklopenauge.
    Der Aufblasbare George beobachtete mich und ging dann ohne ein Lächeln an mir vorbei zum Klippenrand. Ein paar Sekunden lang schaute er nach unten, schüttelte den Kopf und schaute dann über die Schulter zu Bertha hin. Sie konnten also auch die Gedanken des jeweils anderen lesen? Unerwartet und unwillkommen. Ich zappelte herum, hasste das Schweigen. Ich war die Meisterin des Schweigens, bei anderen machte es mir Angst.
    Bertha schüttelte ebenfalls den Kopf und seufzte. Unwillkürlich drehte ich mich zu George um und sah oberhalb des Klippenrands Köpfe auftauchen. Der kleinste gehörte einem Kleinkind, das auf den Schultern seines Vaters saß. Ihnen folgten zwei ältere Mädchen, die hintereinander vor ihrer schwangeren Mutter hergingen. Meine Güte, hatte sie nicht schon genug Kinder zur Welt gebracht?
    Die Eltern lächelten uns vieren zu und nickten; die Mädchen, das Kleinkind und der Fötus ignorierten uns. Sie schienen es nicht merkwürdig zu finden, dieses erstarrte Gemälde neben Tom Jerrolds Wagen, aber sie hatten ja auch keine Ahnung, wie nahe sie einem spektakulären Tod durch
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