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Das Fuenfte Evangelium

Das Fuenfte Evangelium

Titel: Das Fuenfte Evangelium
Autoren: Philipp Vandenberg
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NAZARETH – SEINE MUTTER HEISST MARIA MAGDALENA – JESUS, MEIN VATER, WAR EIN PROPHET – ABER WEIL ER WASSER ZU WEIN UND LAHME GEHEN GEMACHT HAT WIE DIE ÄGYPTISCHEN MAGIER – HABEN MANCHE GERUFEN, ER SEI EIN GOTT – DOCH DAS GESCHAH GEGEN SEINEN WILLEN …‹«
6
    E s dauerte eine Weile, bis Anne von Seydlitz die Tragweite dieser Worte begriff. Sie verharrte lange in Gedanken; sie war kein sehr gläubiger Mensch, schon gar kein frommer, aber der Inhalt des Gehörten versetzte sie doch in Aufregung, weil ein Gedanke alle anderen überlagerte: Das Wissen um diesen schlichten Text würde verheerende Konsequenzen nach sich ziehen, wenn er veröffentlicht werden sollte. Das fromme Leben von Milliarden Menschen seit zweitausend Jahren, die Institution der Kirche, der Vatikan – alles Schall und Rauch.
    »Verstehen Sie jetzt«, wandte sich Donat an die Besucherin, »warum wir, die Orphiker und der Vatikan alles darangesetzt haben, um in den Besitz dieses Stückes Pergament zu gelangen?«
    Anne nickte stumm.
    »Ich bin im übrigen befugt, Ihnen als Entschädigung die Summe von einer Million Dollar anzubieten. Sind Sie damit einverstanden?«
    Anne von Seydlitz nickte nur. Sie hatte sehr wohl begriffen, daß die Islamisten mit diesem Pergament die Macht in Händen hielten, die Welt zu verändern; und sie würden es auch tun, daran zweifelte sie keinen Augenblick.
    Anne begriff jetzt vieles, was in den letzten Wochen und Monaten passiert war, und es erschien ihr beinahe lachhaft, wie ihr der Zufall die Schlüsselrolle in einem Stück Weltgeschichte zugespielt hatte. Immer wieder wanderten ihre Augen über die Schriftzeichen, die sie nicht lesen konnte und die von so großer Bedeutung waren, und mit einem Mal empfand sie Angst, die Angst um dieses Geheimnis, und sie stellte die Frage: »Das Original – wo befindet sich das Pergament jetzt?«
    Die Frau im Rollstuhl sah Donat an, der wandte den Blick Anne zu und erwiderte: »Sie erwarten gewiß nicht, daß ich Ihnen darüber Auskunft gebe; aber das Pergament befindet sich an einem Ort, wo es vor dem Zugriff der anderen sicher ist.«
    »Und Sie haben die einzigen Kopien, die es gibt?«
    »Die Frage möchte ich eigentlich Ihnen stellen! Wenn auf dem Film aus Ihrem Besitz die einzigen Kopien sind, die je gemacht wurden, dann kann ich Ihre Frage mit ja beantworten. Im übrigen sind Kopien in diesem Fall als Beweismittel wertlos. Die Kurie würde sie verfälschen, wie sie schon andere Schriftfunde verfälscht hat. Um die Kirche zu sprengen, bedarf es eindeutiger Beweise.«
    »Rauschenbach und Guthmann!« rief Anne unvermutet. »Den beiden habe ich Kopien des Pergamentes überlassen.«
    Donat antwortete gelassen: »Das ist uns bekannt. Beide Kopien befinden sich im Besitz der Orphiker. Den armen Rauschenbach haben sie ermordet, weil sie glaubten, Sie hätten ihm das Original übergeben. Und Guthmann steht heute noch in ihren Diensten. Er treibt sich mit einem Killerkommando hier in Rom herum. Sie hatten einen Spitzel im Vatikan, einen schlauen Jesuiten namens Doktor Losinski. Sie wissen bis heute nicht, daß er ein Doppelspiel getrieben hat. Und es gab da einen Deutschen namens Doktor Kessler, ebenfalls ein Jesuit. Die beiden arbeiteten an demselben Projekt.« Dabei machte Donat eine Handbewegung und zeigte auf das über die Tische ausgebreitete Pergament. »Als die beiden Freundschaft schlossen, wurde den Orphikern der Boden zu heiß, denn sie glaubten – fälschlicherweise –, Kessler sei einer von uns. Bei einem Attentat sollten beide sterben. Losinski fand auch den Tod, Kessler überlebte.«
    »Mein Gott!« flüsterte Anne leise.
    »Kessler ist jetzt auf unserer Seite«, fügte Donat hinzu. »Und da ist noch jemand, der sich schließlich unter unseren Schutz begeben hat. Aber dazu lassen wir Sie besser allein.«
7
    D onat faßte den Rollstuhl seiner Frau und schob ihn hinaus, ohne ein weiteres Wort zu sagen. Anne blieb völlig verwirrt zurück, allein in dem fremden Haus. Ratlos wandte sie sich dem Tisch mit den vielen unverständlichen Bruchstücken des fünften Evangeliums zu, jenem gewaltigen Puzzle, in das ihr Fragment nun als letzter, entscheidender Stein eingefügt worden war, der das ganze Rätsel löste – ein Stein, der die gewaltige Lawine ins Rollen bringen konnte, welche Kirche, Papst und Glauben hinwegfegen würde. Ihr schauderte, als ihr plötzlich bewußt wurde, daß dieser lang vergessene Text, vor dem sie jetzt stand – oder zumindest dessen
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