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Das fremde Gesicht

Titel: Das fremde Gesicht
Autoren: Mary Higgins Clark
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zwei Uhr in den Büroräumen der Collins and Carter Executive Search eintraf, stieß sie auf drei Männer, die mit Rechnern an dem langen Tisch arbeiteten, auf dem normalerweise Zeitschriften und Pflanzen plaziert waren. Sie benötigte nicht erst Phillip Carters Erklärung zu der Erkenntnis, daß es Revisoren waren. Auf seinen Vorschlag hin gingen sie beide in das private Büro ihres Vaters.
    Sie hatte eine schlaflose Nacht hinter sich, ihr Kopf ein Schlachtfeld der Fragen, Zweifel und der Verweigerung.
    Phillip schloß die Tür und wies auf einen der beiden Stühle vor dem Schreibtisch. Er nahm den anderen, ein Zeichen von Feingefühl, das sie zu schätzen wußte. Es hätte ihr weh getan, ihn hinter dem Schreibtisch ihres Vaters zu sehen.
    Sie wußte, daß Phillip aufrichtig zu ihr sein würde. Sie fragte: »Phillip, hältst du es im entferntesten für möglich, daß mein Vater noch lebt und absichtlich verschwunden ist?«
    Die kurze Pause, bevor er sprach, genügte als Antwort.
    »Du hältst es tatsächlich für möglich?« hakte sie nach.
    »Meg, ich lebe lange genug, um zu wissen, daß alles und jedes möglich ist. Ehrlich gesagt, die Ermittlungsbeamten von der Behörde und die Versicherungsleute haben sich hier schon ziemlich lange herumgetrieben und ganz schön direkte Fragen gestellt. Ein paarmal hätte ich sie am liebsten rausgeschmissen. Wie alle andern auch hatte ich erwartet, daß man Eds Wagen, oder Wrackteile davon, finden würde. Es ist möglich, daß ein großer Teil davon von der Strömung flußabwärts getragen worden oder im Flußbett steckengeblieben ist, aber es ist keine große Hilfe, daß man keine einzige Spur von dem Auto gefunden hat. Also, um dir zu antworten, ja, es ist möglich. Und nein, ich kann mir nicht vorstellen, daß dein Vater zu so einem Streich imstande ist.«
    Es war, was sie zu hören erwartet hatte, aber es machte die Situation nicht leichter. Als sie noch ganz klein gewesen war, hatte Meghan einmal versucht, ein angebranntes Stück Brot mit einer Gabel aus dem Toaster zu entfernen. Sie fühlte sich jetzt, als spüre sie von neuem den heftigen Schmerz, wie ihr der elektrische Schlag durch den Körper fuhr.
    »Und natürlich ist es keine große Hilfe, daß Dad ein paar Wochen, bevor er verschwunden ist, den Barwert auf seine Versicherungen abgehoben hat.«
    »Nein, wirklich nicht. Du sollst wissen, daß ich die Buchprüfung deiner Mutter zuliebe mache. Wenn diese Sache an die Öffentlichkeit gelangt, und verlaß dich drauf, das tut sie bestimmt, möchte ich ein beglaubigtes Papier vorweisen können, daß unsere Bücher vollkommen in Ordnung sind. So eine Angelegenheit setzt alle möglichen Gerüchte in Gang, wie du dir vorstellen kannst.«
    Meghan senkte den Kopf. Sie hatte Jeans und eine dazu passende Jacke angezogen. Ihr fiel auf, daß sie genauso gekleidet war wie die Tote, als sie ins Roosevelt Hospital eingeliefert wurde. Sie verdrängte den Gedanken. »War mein Vater ein Spieler? Würde das vielleicht erklären, warum er so dringend Bargeld brauchte?«
    Carter schüttelte den Kopf. »Dein Vater war kein Spieler, und mit solchen Leuten kenn’ ich mich aus, Meg.« Er zog eine Grimasse. »Meg, ich wollte, ich wüßte eine Antwort darauf, aber ich weiß keine. Nichts an Eds Geschäfts- oder Privatleben hat mich annehmen lassen, er könnte auf die Idee kommen, zu verschwinden.
    Andererseits ist der Mangel an Beweisstücken von dem Unfall zwangsläufig verdächtig, zumindest für Außenstehende.«
    Meghan betrachtete den Schreibtisch mit dem Chefsessel dahinter. Sie konnte sich ihren Vater ausmalen, wie er dort saß, sich zurücklehnte, mit funkelnden Augen, die Hände verschränkt, während die Finger nach oben wiesen, in
    »Eds Heiligen- und Märtyrerpose«, wie ihre Mutter es nannte.
    Sie konnte sich selbst sehen, wie sie als Kind ins Büro rannte. Ihr Vater hatte stets Süßigkeiten für sie parat, klebrige Schokoladenstäbchen, Marshmallows, knusprige Erdnußköstlichkeiten. Ihre Mutter hatte versucht, solche Dinge von ihr fernzuhalten. »Ed«, protestierte sie dann,
    »gib ihr nicht so einen Mist. Du machst ihre Zähne kaputt.«
    »Süßes für die Süßen, Catherine.«
    Vaters Liebling. Immer. Von ihren Eltern war er für den Spaß zuständig. Mutter war es, die Meghan dazu anhielt, Klavier zu üben und ihr Bett zu machen. Mutter war es, die protestierte, als sie die Stellung in der Kanzlei aufgab.
    »Um Himmels willen, Meg«, hatte sie flehentlich auf sie eingeredet,
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