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Das fremde Gesicht

Titel: Das fremde Gesicht
Autoren: Mary Higgins Clark
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im klaren über die mißliche Lage, in der Sie sich befinden.
    Das Problem ist, daß wir die Auszahlung auf die Police Ihres Mannes nicht ohne einen Totenschein bewilligen können, und der wird offenbar nicht ausgestellt.«
    Catherine starrte ihn an. »Sie meinen, er wird nicht ausgestellt, solange kein absoluter Beweis für seinen Tod vorliegt? Aber was ist, wenn seine Leiche flußabwärts bis in den Atlantik getragen worden ist?«
    Die Männer sahen beide verlegen aus. Der jüngere antwortete ihr. »Mrs.
    Collins, die New Yorker
    Verkehrsbehörde, in ihrer Eigenschaft als Eignerin und Betreiberin der Tappan Zee Bridge, hat in einem umfassenden Einsatz alles darangesetzt, sowohl die Opfer wie die Wrackteile aus dem Fluß zu bergen. Zugegeben, die Explosionen haben dazu geführt, daß die Fahrzeuge zerfetzt wurden. Trotzdem lösen sich schwere Teile wie Getriebe und Motoren nicht einfach auf. Außer dem Sattelschlepper und dem Tanklaster sind sechs Fahrzeuge über die Seitenplanke gegangen, oder sieben, wenn wir den Wagen Ihres Mannes mitrechnen würden. Von allen anderen sind Teile aufgefunden worden. All die anderen Leichen sind ebenfalls geborgen worden. Da ist nicht einmal ein Rad oder Reifen, eine Tür oder ein Motorenteil eines Cadillac im Flußbett unter der Unglücksstelle.«
    »Sie wollen also sagen …« Es fiel Catherine schwer, die Worte zu formulieren.
    »Wir wollen damit sagen, daß der umfassende Bericht über das Unglück, den die Behörde demnächst zur Veröffentlichung freigibt, kategorisch feststellt, daß Edwin Collins bei dem Brückenunglück an jenem Abend nicht zu Tode gekommen sein kann. Die Experten meinen, er mag zwar durchaus in der Nähe der Brücke gewesen sein, aber keiner glaubt, daß Edwin Collins ein Opfer war.
    Wir glauben, daß er entkam, als die anderen Fahrzeuge in den Unfall verwickelt wurden, und dieses günstige Zusammentreffen dazu ausnutzte, um sein schon geplantes Verschwinden in die Tat umzusetzen. Wir denken, daß er der Meinung war, er könnte Sie und Ihre Tochter mit der Versicherung versorgen und sich dann dem neuen Leben zuwenden, das er auf die eine oder andere Weise bereits ins Auge gefaßt hatte.«

    6
    Mac, wie Dr. Jeremy MacIntyre von seinen Freunden genannt wurde, wohnte mit seinem siebenjährigen Sohn Kyle ganz in der Nähe der Familie Collins. Während seiner College-Jahre an der Yale University hatte Mac den Sommer über als Kellner im Drumdoe Inn gearbeitet.
    Während jener Sommermonate hatte er eine dauerhafte Vorliebe für die Gegend entwickelt und beschlossen, sich dort eines Tages niederzulassen.
    Als er heranwuchs, hatte Mac die Beobachtung gemacht, daß er der Typ in der Menge war, den die Mädchen nicht beachteten. Durchschnittliche Größe, durchschnittliches Gewicht, durchschnittliches Aussehen. Es war eine einigermaßen zutreffende Beschreibung, doch in Wirklichkeit wurde Mac sich selbst nicht gerecht. Auf einen zweiten Blick hin fanden Frauen sehr wohl etwas Herausforderndes an dem spöttischen Ausdruck seiner braunen Augen, eine attraktive Jungenhaftigkeit an dem sandfarbenen Haar, das immer vom Wind zerzaust schien, eine wohltuende Verläßlichkeit in der souveränen Haltung, mit der er sie auf die Tanzfläche führte oder sie an einem frostigen Abend mit der Hand am Ellenbogen nahm.
    Mac hatte schon immer gewußt, daß er eines Tages Arzt sein würde. Als er dann sein Medizinstudium an der New York University aufnahm, war er mehr und mehr der Überzeugung, die Zukunft der Medizin liege in der Genetik. Inzwischen sechsunddreißig, arbeitete er bei LifeCode, einem Institut für genetische Forschung in Westport, an die fünfzig Autominuten südöstlich von Newtown gelegen.

    Es war die Stelle, die er wollte, und sie fügte sich gut in sein Leben als geschiedener, alleinerziehender Vater ein.
    Mit siebenundzwanzig hatte Mac geheiratet. Die Ehe dauerte eineinhalb Jahre und brachte Kyle hervor. Dann kam Mac eines Tages vom Labor nach Hause und fand einen Babysitter und eine Nachricht vor. Sie lautete:
    »Mac, das hier ist nichts für mich. Ich bin eine lausige Ehefrau und eine lausige Mutter. Wir wissen beide, daß es nicht funktionieren kann. Ich muß einfach die Chance zu einer Karriere haben. Kümmer’ dich gut um Kyle. Tschüs, Ginger.«
    Ginger hatte sich seither ganz gut gemacht. Sie sang in Lokalen in Vegas und auf Vergnügungsschiffen. Sie hatte ein paar Schallplatten produziert, und die letzte war in die Hitlisten gelangt. Sie schickte Kyle
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