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Das fremde Gesicht

Titel: Das fremde Gesicht
Autoren: Mary Higgins Clark
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Besserungsanstalt für Jugendliche eingewiesen. Mit Anfang Zwanzig hatte er drei Jahre in einer psychiatrischen Anstalt verbracht. Vier Jahre lag es zurück, daß er zu zehn Monaten auf Riker’s Island verurteilt worden war. Das war, nachdem die Polizei ihn dabei erwischt hatte, wie er sich im Wagen einer Studentin versteckt hielt. Man hatte ihn wieder und wieder verwarnt, er solle sich von ihr fernhalten. Komisch, dachte Bernie – er konnte sich jetzt nicht einmal mehr daran erinnern, wie sie aussah. Nicht an sie, und auch nicht an all die anderen. Und sie waren ihm alle einmal so wichtig gewesen.
    Bernie wollte nie mehr ins Gefängnis. Die anderen Häftlinge machten ihm angst. Zweimal schlugen sie ihn zusammen. Er hatte seiner Mama geschworen, er würde sich nie mehr im Gebüsch verstecken und in Fenster hineinschauen oder einer Frau folgen und sie zu küssen versuchen. Er schaffte es auch schon sehr gut, sein Temperament zu zügeln. Den Psychiater hatte er nicht ausstehen können, der Mama ständig warnte, eines Tages werde dieses tückische Temperament Bernie noch in Schwierigkeiten bringen, die keiner mehr gutmachen konnte. Bernie wußte, daß sich niemand mehr um ihn Sorgen machen mußte.
    Sein Vater war abgehauen, als er noch ein Baby war.
    Seine verbitterte Mutter verließ das Haus nicht mehr, und Bernie mußte daheim ihr endloses Wiederaufwärmen all der Ungerechtigkeiten ertragen, die ihr das Leben während ihrer dreiundsiebzig Jahre zugefügt habe, und was er ihr doch alles schuldig sei.
    Nun ja, was immer er ihr »schuldete«, Bernie gelang es jedenfalls, den größten Teil seines Geldes in elektronischer Ausrüstung anzulegen. Er hatte ein Radio, das den Polizeifunk einfing, ein anderes Spezialradio, das Programme aus der ganzen Welt empfangen konnte, einen Apparat, der die Stimme veränderte.
    Abends sah er pflichtschuldig zusammen mit seiner Mutter fern. Nachdem sie jedoch um zehn Uhr zu Bett ging, schaltete Bernie den Fernseher ab, eilte in den Keller hinunter, machte die Radioapparate an und begann, die Moderatoren von Talk-Shows anzurufen. Zu diesem Zweck dachte er sich Namen und Lebensgeschichten aus.
    So rief er etwa einen rechtslastigen Showmaster an und beschwor liberale Werte, dann einen liberalen Moderator und erging sich in Lobeshymnen über die extreme Rechte.
    In seiner Anruf-Persönlichkeit liebte er Auseinandersetzungen, Konfrontationen, den Austausch von Beleidigungen.
    Ohne das Wissen seiner Mutter hatte er auch einen Fernsehapparat mit einem Ein-Meter-Bildschirm und einen Videorecorder im Keller und sah sich oft Filme an, die er aus Porno-Läden mit nach Hause gebracht hatte.
    Der Polizeiempfänger regte zu weiteren Einfällen an. Er begann, Telefonbücher durchzugehen und Nummern zu umkringeln, die bei weiblichen Namen angegeben waren.
    Mitten in der Nacht wählte er dann eine jener Nummern und erklärte, er rufe von einem Funktelefon direkt beim Haus der Frau an und werde jetzt einbrechen. Dann flüsterte er, vielleicht komme er nur eben auf einen Sprung herein, oder vielleicht bringe er sie um. Anschließend pflegte Bernie grinsend dazusitzen und im Polizeifunk mitzuhören, wie ein Streifenwagen eilends zu der Adresse geschickt wurde. Es war fast so gut wie an Fenstern zu spionieren oder Frauen zu verfolgen, und er brauchte sich nie Sorgen zu machen, daß sich plötzlich die Scheinwerfer eines Polizeiwagens auf ihn richten würden oder ein Bulle mit einer Flüstertüte brüllen würde: »Keine Bewegung!«
    Der Wagen, der Tom Weicker gehörte, war eine wahre Goldgrube an Informationen für Bernie. Weicker hatte ein elektronisches Adressenverzeichnis in seinem Handschuhfach. Darin hatte er die Namen, Adressen und Nummern der wichtigsten Mitarbeiter des Senders gespeichert. Die großen Tiere, dachte Bernie, als er die Telefonnummern auf sein eigenes elektronisches Register übertrug. Er hatte sogar Weickers Frau eines Abends zu Hause erreicht. Sie hatte zu kreischen angefangen, als er ihr erzählte, er sei am Hintereingang und im Begriff, hereinzukommen.
    Bei der Erinnerung an ihr Entsetzen hatte er noch stundenlang danach gekichert.
    Was ihm aber inzwischen zu schaffen machte, war die Tatsache, daß er zum ersten Mal seit seiner Entlassung aus Riker’s Island das bedrückende Gefühl hatte, nicht in der Lage zu sein, sich jemanden aus dem Kopf zu schlagen.
    Dieser Jemand war eine Reporterin. Sie war so hübsch, daß er beim Aufhalten der Wagentür dagegen ankämpfen mußte, sie
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