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Das Flüstern des Windes (German Edition)

Das Flüstern des Windes (German Edition)

Titel: Das Flüstern des Windes (German Edition)
Autoren: Rainer Wekwerth
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diesen Misthaufen gebracht!«
    »Dahin hast du dich selbst befördert. Ohne meinen Einfluss beim König wärst du aus dem Reich verbannt worden. Sei dankbar, dass man dir diese Stelle gegeben hat.«
    »Dankbar?« Korek kicherte. »Ja, ich bin dankbar, während ich hier drinnen verfaule.«
    Esther wollte zu weiteren Vorwürfen ansetzen, aber der Pferdewirt unterbrach sie.
    »Genug jetzt! Wo ist das Kind?«
    Die Amme schlug ihren Umhang zurück, das schlafende Gesicht des Säuglings wurde im gelben Lichtschein sichtbar.
    »Das ist also der Prinz. König Asthaels Sohn!« In seinen von der Trunksucht blutunterlaufenen Augen blitzte Vergnügen auf.
    »Du weißt, was du zu tun hast?«, fragte Esther.
    »Was ist mit meiner Bezahlung?«
    Esther zog eine Goldmünze hervor und reichte sie Korek, dessen Hände vorzuckten, aber auf halben Weg innehielten.
    »Du hast doch bestimmt mehr herausgeschlagen. Wie viel war es?«
    »Das geht dich nichts an! Ich hatte auch das größere Risiko, als ich den Prinzen hierher brachte.«
    »Aber ich muss den Balg aus der Burg schaffen und töten. Der Umstand, dass deine Hände nicht vom Blut befleckt werden, sollte dir mehr wert sein!«
    »Wir hatten ein Goldstück vereinbart!« In Esthers Stimme schwang unterdrückter Ärger mit.
    »Und nun ändern wir diese Vereinbarung«, entgegnete Korek ungerührt. »Entweder du gibst mir mehr, oder du kannst selbst den Dolch in sein kleines Herz stoßen!«
    Das Gesicht der Amme war weiß vor Wut, als sie zwei weitere Goldstücke hervorkramte. Koreks Hand schoss vor und ließ die Münzen verschwinden, bevor es sich seine Cousine anders überlegen konnte.
    »Gut, du hast dein Gold. Jetzt nimm das Kind, ich muss zurück, bevor jemandem mein Verschwinden auffällt.«
    Sie reichte ihm den eingewickelten Säugling.
    Als sie sich abwandte und die Tür öffnen wollte, rief ihr Korek hinterher.
    »Esther!«
    »Ja?«
    »Bei Thorams gelben Zähnen, wenn sie uns erwischen, wird unser Sterben eine Ewigkeit dauern.«
    »Dann sorge dafür, dass dich niemand erwischt!«
    Kurz darauf war sie durch die Tür geschlüpft und verschwunden.
     
    Zwei Stunden später, die Nacht war hereingebrochen, lag Esther im Bett und versuchte einzuschlafen. Sie hatte nur ein spärliches Abendmahl zu sich genommen, die Aufregung des Tages war ihr auf den Magen geschlagen.
    Gerade als sich ihr wild pochendes Herz beruhigt hatte und ihr die Augen zufielen, wurde die Tür ihres Gemaches aufgerissen. Sechs furchterregend aussehende Gardesoldaten in voller Kampfausrüstung stürmten ins Zimmer und zerrten sie aus dem Bett.
    Hinter den Männern tauchte die schlanke Gestalt Fürst Canais auf. Sein von Fackeln beleuchtetes Gesicht drückte grenzenlose Grausamkeit aus.
    Esthers Magen verkrampfte sich. Ein eisiger Klumpen schien ihr die Kehle zuzuschnüren, während die Klauen des Teufels ihr die Wirbelsäule hochfuhren. Ohne dass sie es bemerkte, entleerte sich ihre Blase.
    Canai trat vor. Seine Hand packte Esther an ihrem Schlafgewand, das unter der Belastung zerriss.
    »Wo ist der Prinz?«, keuchte der Fürst voll unterdrücktem Zorn.
    »Der ... der Prinz?«, stammelte die Amme. Ihre Gedanken rasten. Was war hier los? Und dann traf sie die Erkenntnis mit einem unbarmherzigen Schlag. Sie sollte sterben. Canai musste den König getötet haben und wollte nun seine Mitwisserin zum Schweigen bringen.
    »Was ist mit dem König?«, fragte sie.
    »Unser Herrscher ist tot! Im Bett ermordet worden!«, antwortete einer der Gardesoldaten.
    »Aber ...«
    Die Faust des Fürsten traf sie vollkommen unvorbereitet. Mit einem hässlichen Geräusch brach ihre Nase. Ein Schwall hellen Blutes schoss zwischen ihren Fingern hervor. Ihre Augen tränten, als sie den Kopf hob. Hinter einem feuerroten Nebel erkannte sie Canais Gesicht. Ein merkwürdig verklärter Ausdruck lag darauf. Ihr Herz setzte zwei Schläge aus, als ihr bewusst wurde, dass der Fürst es genoss, sie zu quälen.
    »Ich frage dich noch einmal!«, zischte Canais klirrende Stimme. »Wo ist der Prinz?«
    Esther gab auf.
    »Mein Vetter Korek hat ihn aus der Burg gebracht«, flüsterte sie leise.
    Canai wandte sich in einer einzigen fließenden Bewegung ab.
    »Reißt ihr die Zunge raus und hängt die Verräterin an den Burgzinnen auf. Dort bleibt ihre Leiche, bis die Krähen sie gefressen haben. Und jetzt sucht diesen Königsmörder Korek!«
    Die Worte schwebten noch im Raum, als der Fürst das Zimmer verließ und Esther schluchzend zusammenbrach.
     
    Korek
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