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Das Flüstern des Windes (German Edition)

Das Flüstern des Windes (German Edition)

Titel: Das Flüstern des Windes (German Edition)
Autoren: Rainer Wekwerth
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nicht!« In seiner Stimme lag Verachtung.
    Esther hatte sich auf den Boden sinken lassen. Mit fliegenden Fingern sammelte sie die Münzen ein. Ihre ganze Körperhaltung drückte Gier aus.
    Der Fürst beugte sich zu ihr herab. In seiner geschlossenen Faust ruhte nun ein Dolch, dessen Klinge Esthers Hals ritzte.
    »Und komm nicht auf die Idee, mich zu verraten!«, flüsterte er heiser. »Du würdest den nächsten Sonnenaufgang nicht erleben. Schließlich warst du es, die des Königs Kinder vergiftet hat, und was denkst du, wem Asthael glauben würde, einer Mörderin oder seinem eigenen Bruder?«
    »Ich werde schweigen, Herr! Ich schwöre es!«, antwortete die Amme zitternd.
    Der Dolch verschwand wieder. Canais Hand half der Frau beim Aufstehen. Ein falsches Lächeln umspielte seine Lippen.
    »Das weiß ich, Esther. Schließlich gehörst du zur Familie!«
     
     

2.
     
    Der Abend war hereingebrochen und die letzten Sonnenstrahlen des sterbenden Sonnenlichtes tauchten den westlichen Horizont in ein flammendes Rot, vor dem sich die mächtigen Skarberge, die natürliche Grenze des Reiches in dieser Richtung, schwarz abzeichneten.
    Esther hatte den Sohn des Königs in eine alte Decke gewickelt und hastete mit ihm durch die engen Gänge des Schlosses. Das Kind schlief. Sein kleines Gesicht zeigte ein friedvolles Mienenspiel, der Mund machte schmatzende Bewegungen. Bald würde ihn der Hunger wieder wecken, aber die Amme hoffte, dass er noch eine Weile weiterschlafen würde.
    Sie erreichte die lang gezogene Rundtreppe, die sie an der Schlossküche vorbei in den Keller brachte. Aus dem großen Raum fiel Lichtschein in den Gang. Sie presste sich eng an die Wand. Ihr schwarzer Umhang verschmolz mit den Schatten zwischen den Fackeln.
    Atemlos lauschte sie, aber nur das Klappern der Töpfe und die Stimme des Kochs, der laut Anweisungen für das bevorstehende Abendmahl des Königs an die Küchenhilfen brüllte, waren zu hören.
    Die Amme wartete noch einen Moment, bis sich der wilde Schlag ihres Herzens beruhigt hatte, dann schlich sie weiter. Am hinteren Ende des Korridors schlüpfte sie durch eine offen stehende Tür, die sie in den Burghof führte.
    Oben auf den Wehrgängen patrouillierten Wächter, während die Frau gebückt auf die Pferdeställe zuhielt. Sie hatte den Platz zur Hälfte überquert, als der Säugling erwachte und mit einem quengelnden Schrei über die wilde Schaukelei protestierte.
    Esther machte noch zwei Schritte und verbarg sich im Schatten der hölzernen Pferdetränke, die an der linken Seite des Hofes stand. Sie wagte, einen Blick nach oben zu werfen und bemerkte einen Wächter.
    Der Mann hatte sich über die Brüstung gelehnt und suchte nun den unter ihm liegenden Hof mit den Augen ab. Als er nichts entdeckte, drehte er sich um und nahm seinen Gang wieder auf.
    Die Amme seufzte unhörbar.
    Ihr Gesicht wandte sich dem Säugling zu. Aus einer Tasche ihres Umhanges holte sie eine Flasche mit Ziegenmilch hervor. Sie schob das lederne Mundstück zwischen die Lippen des Prinzen. Eine Zeit lang war nur noch das Glucksen der sich leerenden Flasche zu hören. Kurz darauf schlief das Kind wieder fest. Esther schlich weiter.
    Als sie den Stall erreichte, waren ihre Kleider nass geschwitzt. Sie drückte die alte Eisenklinke herab und verschwand im Dunkel des Raumes.
    Der Geruch der dampfenden Pferdekörper schlug ihr entgegen. Als sie weiter vordrang, mischte sich noch der Gestank faulenden Strohes hinzu. Sie hielt sich einen Zipfel ihres Mantels vor die Nase und atmete nur noch flach.
    »Korek? Bist du da?«, rief sie in die Dunkelheit.
    Eine nach Tran stinkende, verbeulte Ölfunzel wurde angezündet. Ihr spärlicher Lichtschein enthüllte das geisterhafte, bleiche Gesicht des Pferdewirts. Die Lippen waren zu einem schmierigen Grinsen geöffnet und offenbarten eine Reihe abgebrochener, brauner Zahnstummel. Sein ausgemergelter Körper war in einen viel zu großen Mantel gehüllt, und als er näher schlurfte, bemerkte Esther, dass er wieder getrunken hatte.
    Sie betrachtete den ehemaligen Gardesoldaten, der vor fünfzehn Jahren unehrenhaft entlassen worden war, voller Abscheu.
    »Hallo, Cousine«, krächzte der Mann.
    »Du hast getrunken!«, stellte die Amme vorwurfsvoll fest.
    Koreks Augenbrauen hoben sich zu einem höhnischen Gesichtsausdruck.
    »Würdest du an so einem Ort nicht auch trinken? Der Gestank der Tiere verpestet einem die Nase. Was ist mir anderes geblieben, als die Freuden des Alkohols. Du hast mich in
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