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Das Fluestern des Todes

Das Fluestern des Todes

Titel: Das Fluestern des Todes
Autoren: Kevin Wignall
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um das ich dich bitte. Ich möchte wieder mit dir reden können, mich im gleichen Zimmer aufhalten wie du. Mein Gott, nur im gleichen Raum wie du zu sein. Als ein Freund.«
    Sie schüttelte einige Sekunden lang den Kopf und schien mit sich zu ringen. »Ich werde mich nie wieder in dich verlieben«, sagte sie schließlich. »Verstehst du das?«
    »Ja.«
    Sie brachte es anscheinend noch immer nicht übers Herz, ihm nachzugeben. »Wo lebst du eigentlich jetzt?«, fragte sie stattdessen.
    »In der Schweiz.« Sie lachte. »Was ist daran so komisch?«
    »Dein Leben lang hast du immer an Orten gewohnt, wo man kein Englisch spricht.«
    »Ich brauchte wohl einen triftigen Grund, nicht reden zu müssen.« Sie lachte wieder, doch diesmal klang es eher wie der höfliche Versuch, überhaupt eine Reaktion zu zeigen. Für einen Moment war sie so verlegen, wie man es gewöhnlich bei einem ersten Rendezvous ist. Als sie sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht strich, bemerkte er den Ehering. »Und was ist mit dir? Die letzten Jahre müssen hart für dich gewesen sein?«
    »Ach, weißt du …« Sie starrte das Armaturenbrett an. »Kannst du vielleicht die Heizung anstellen? Es ist reichlich kalt.«
    »Sie funktioniert nicht. Ist ein Mietwagen. Ich hätte ihn zurückgeben sollen.«
    Genervt funkelte sie den Heizregler an, richtete ihre Augen dann aber entschlossen auf ihn. Er konnte förmlich spüren, wie es in ihrem Kopf arbeitete.
    »Luke, ich werde keine Versprechen mehr von dir verlangen, aber die Vorstellung, dass die Kinder noch einmal so leiden müssen, ist für mich unerträglich. Ich kann nicht …« Er hob die Hand und legte seine Finger auf ihren Mund, um all ihre Worte, all ihre Befürchtungen ein für allemal zum Schweigen zu bringen. Die körperliche Berührung setzte sein Nervensystem unter Strom. Es war, als sei es direkt mit der Vergangenheit verkabelt, als wäre alles, was dazwischen passiert war, nicht mehr in diesem Stromkreis vorhanden. Sie schloss die Augen, als er ihre Hand wieder von ihren Lippen nahm. Noch immer schien es in ihrem Kopf zu arbeiten – bis sie schließlich sagte: »Okay, du kannst reinkommen.« Sie klang, als sei sie noch immer nicht davon überzeugt, die richtige Entscheidung getroffen zu haben – und er ahnte, dass diese Zweifel sie noch lange begleiten würden.
    Sie stiegen aus dem Wagen und gingen zum Haus – zurück zu der einzigen Erfahrung von Heim und Familie, die er je gemacht hatte. Zusammen mit der Frau, die er sein halbes Leben lang geliebt hatte, kehrte er aus der Wildnis in die Zivilisation zurück. Auch wenn er ahnte, dass noch ein langer Weg vor ihnen lag, so wusste er doch, dass er nie wieder allein sein würde, dass die Person, die so verzweifelt nach Isolation gesucht hatte, an diesem Morgen endgültig gestorben war.

EINUNDZWANZIG
    Als er näher kam, stellte er dankbar fest, dass seine reguläre Zeitungsverkäuferin wieder zurück war. Sie sah ihn kommen und winkte ihm schon von Weitem zu. »Wo haben Sie gesteckt, Wendy?«, sagte er. »Ohne Sie war mein Leben sinnlos.«
    »Urlaub«, sagte Wendy und lächelte so breit, dass ihre Zähne blitzten. »Kanarische Inseln.«
    »Freut mich für Sie. Dann hätte ich gerne den Sydney Morning Herald .«
    Sie lachte schallend. Es machte ihm Freude, dass er sie mit dem gleichen Witz immer wieder zum Lachen bringen konnte.
    »Es gibt den Evening Standard oder gar nichts.«
    »Na gut, dann nehm ich halt den Evening Standard . Was gibt’s denn Neues?« Sie hielt ihm die Vorderseite vor die Nase, fing dann aber laut zu lesen an. Immerhin hatte die Zeit gereicht, um auf der Titelseite Ellas Foto zu entdecken.
    Langsam und umständlich las Wendy vor: »Blindenhunde, Obdachlose und Krebskranke gehören zu den vielen, die in den Genuss einer der größten karitativen Stiftungen aller Zeiten kommen werden. In ihrem Testament vermachte Gabriella Hatto, die ermordete Millionenerbin, ihren gesamten Besitz, der auf mehrere Hundert Millionen Pfund geschätzt wird, diversen Wohltätigkeitsorganisationen.« Sie schaute von der Zeitung auf. »Na, was halten Sie davon?«
    Es blieb offen, ob sie nun ihre Talente als Vorleserin meinte oder die Story an sich. »Ganz schön abgefahren«, sagte er. »Weiß man denn schon, wer die Tat begangen hat?«
    Wendy zuckte mit den Schultern, als wäre das eine ziemlich dumme Frage. »Es kann doch nur der Onkel gewesen sein«, sagte sie dann. »Überlegen Sie doch mal: Wieso haben sie sich in Luft aufgelöst? Wo sind sie
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