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Das Fluestern des Todes

Das Fluestern des Todes

Titel: Das Fluestern des Todes
Autoren: Kevin Wignall
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Jammern ging langsam in ein apathisches Schweigen über. Sie warf einen Blick auf das Blutbad, auf Lucy und die Leichen der Kinder, deren dünne Beine aus den knielangen Shorts ragten. Sie trugen dazu passende Hemden, weil sie heute Abend zum Dinner eingeladen gewesen waren.
    Als sie plötzlich Dans Stimme hörte, bemerkte sie, dass sie seine Anwesenheit völlig vergessen hatte.
    »Gott verdammt noch mal! Was haben Sie da nur angerichtet, Ella?«
    Sie sah die Fassungslosigkeit in seinem Gesicht, vielleicht auch einen Hauch von Verachtung. »Es war das Mindeste, was ich tun konnte.« Sie drehte sich wieder zu Simon um: »Schau deine Kinder an, Simon, schau deine Frau an. Du hast das hier zu verantworten. Unschuldige Kinder – und du hast sie getötet, genau wie du Ben getötet hast, obwohl doch sein ganzes Leben noch vor ihm lag.«
    Er betrachtete nicht die Leichen, sondern starrte unbewegt in ihre Augen. Sie erwartete eine Flut von Flüchen und Verwünschungen, aber er blieb so still, dass seine Reglosigkeit sie zu irritieren begann.
    »Nun, hast du nichts dazu zu sagen?« Er sprach noch immer nicht, und sie spürte, wie die Wut wieder in ihr aufstieg. Er hatte einfach nicht das Recht, sich nun unter dem Mantel des Selbstmitleids zu verstecken. Er hatte dieses Recht längst verwirkt. Sie hob die Pistole, zielte auf ihn und traf ihn in der Bauchgegend. Innerhalb weniger Sekunden war sein Hemd blutdurchtränkt. Doch er zuckte nicht einmal zusammen. Es war, als hätte er den Einschuss überhaupt nicht mitbekommen.
    Er starrte sie noch immer stumm an. Sie fragte sich, ob es vielleicht nicht einmal ein bewusster Vorgang war, sondern eine Reaktion auf die traumatischen Ereignisse, die sich vor seinen Augen abgespielt hatten. Doch die Art und Weise, wie er sie anschaute, ließ keinen Zweifel daran, dass er ihr bis zum Ende die Stirn bot, dass er ihr nicht die Genugtuung geben wollte, ihn als gebrochenen Mann zu sehen.
    »Keine letzten Worte?« Nichts. Sein Schweigen und seine scheinbare Distanziertheit machten sie nur noch wütender. Ihr Arm war schon schwer, doch noch einmal hob sie ihn und schoss ihm in den Kopf. Treffer: Das Blut spritzte.
    Erschöpft gab sie Dan die Pistole zurück. Das Bild, das sich ihren Augen bot, ergab partout keinen Sinn – genauso wenig wie das Gefühlsdurcheinander in ihrem Kopf: Es war seine abstruse Mischung aus Erfüllung und völliger Leere.
    Müde lächelte sie Dan an. Er schaute gerade auf Harry und George hinunter, doch als er schließlich ihren Blick erwiderte, schüttelte er nur stumm den Kopf. Aus seinen Augen sprach kalte Verachtung.
    Sie konnte es einfach nicht fassen. Leute wie er und Lucas töteten für Geld, sie töteten Gute und Böse, Schuldige und Unschuldige und empfanden für ihre Opfer keinerlei Mitleid. Wie konnten sie es sich erlauben, ein Urteil über sie zu bilden, sie gar für ihre Motive zu verdammen?
    Dan verachtete sie, weil sie die Kinder nicht verschont hatte. Aber es war schließlich nicht ihre Entscheidung gewesen, sondern eine Entscheidung, die Simon ihr aufgezwungen hatte. Sie hatte es Simon nur mit gleicher Münze zurückgezahlt. Sicher, sie hatte Unfassbares getan, aber das Recht war auf ihrer Seite. Und es war ihr egal, ob Dan das nun kapierte oder nicht. Sie wusste, dass sie richtig gehandelt hatte.

ZWANZIG
    Er hätte seinen eigenen Wagen mitbringen sollen. Die Heizung in dem Mietwagen funktionierte nicht – was gestern kein Problem gewesen war, sich aber an einem kühlen Tag wie heute als Ärgernis herausstellte. Sogar seine Füße waren bereits eiskalt. Wenn er sich nicht wie ein Idiot vorgekommen wäre, hätte er sogar noch über die Situation lachen können.
    Es waren nur ein paar Schritte von hier bis zur Rue Benoit, aber er wollte sich nicht vor ihrem Haus postieren, wenn er sich genauso gut im Auto verstecken konnte. Ärgerlich nur, dass es im Auto so ungemütlich war.
    Er stieg aus und machte sich auf den Weg zu dem Café, das anscheinend einer ihrer ständigen Anlaufpunkte war. Er würde auf sie warten. Sollte sie dort aufkreuzen – wunderbar. Wenn nicht, konnte er sich zumindest aufwärmen.
    Das Auto war eine Art Schutzschild gegen die Wahrheit gewesen. Die meiste Zeit hatte er hier gesessen und sich eingeredet, dass es eigentlich nur ein weiterer Job war. Als er den Wagen verließ und an ihrem Haus vorbeiging, fühlte er sich nicht wohl in seiner Haut, war überwältigt von all den alten Selbstzweifeln.
    Dieses Gefühl wollte ihn auch nicht
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