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Das Fluestern des Todes

Das Fluestern des Todes

Titel: Das Fluestern des Todes
Autoren: Kevin Wignall
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Stimme ließ nichts Gutes erwarten.
    »Ja, das bin ich.«
    »Warum sind Sie nicht eher gekommen? Ich bin schon vierzehn.«
    »Zwei Gründe.« Er hatte sich diese Begegnung oft genug im Kopf ausgemalt, wusste aber noch immer nicht, wie er seine dunkle Vergangenheit in Worte kleiden sollte. »Ich habe Madeleine geliebt, sie so sehr geliebt, dass ich ihr nicht sagen wollte, wer ich wirklich bin. Als sie dann schwanger wurde, veränderte das unsere Beziehung: Ich musste einfach reinen Tisch machen. Sie beendete daraufhin die Beziehung, und wir kamen überein, dass es besser wäre, wenn ich nicht in deiner Nähe bin. Mein Leben war … äh …«
    »Sie hat mir erzählt, dass Sie ein Krimineller sind.«
    Er fühlte sich gekränkt, dass Madeleine ihn mit diesen Worten beschrieben hatte, aber natürlich hatte sie recht. Er war nie im Gefängnis gewesen, hatte nie mit der Polizei Ärger gehabt, aber ja: Er war ein Krimineller. Er konnte nicht mal auf die zweifelhafte Ehre verweisen, auch für Regierungen gearbeitet zu haben. Die Leute, die ihn gewöhnlich engagierten, hatten besser gezahlt und Schlimmeres verlangt, als man es von einer staatlichen Organisation je erwarten würde.
    »Ja, bis vor etwa vier Jahren war ich ein Krimineller.« Er fühlte sich wie ein Lügner. Dabei meinte er nicht einmal den Job für Mark Hatto, auch nicht die Tatsache, dass er getötet hatte, um Ellas Leben zu retten. Aber dass er für sie Novakovic erschossen hatte und sie zu Bruno Brodsky geführt hatte, war fraglos ein Teil seines alten Lebens gewesen. Er schämte sich, dass er nicht zugeben konnte, dass am Ende dieser letzten vier Jahre ein blutiger Rückfall gestanden hatte.
    »Sie sagten, es gäbe zwei Gründe.«
    Er nickte.
    »Ich hatte Angst.«
    Sie schaute ihn ungläubig an. »Angst vor einem kleinen Mädchen?«, sagte sie belustigt und schenkte ihm ein Lächeln, das ihm Mut machte. Aber keine Frage: Er hatte Angst gehabt, Angst, sie bei ihrer ersten Begegnung endgültig zu verlieren. Er hatte das Leben selbst auf Distanz gehalten, um sich auf diese Weise vor einem derartigen Verlust zu schützen.
    Der Kellner brachte seinen Kaffee und eine heiße Schokolade für Isabelle. Lucas sah, wie er sie heimlich angrinste – als wolle er signalisieren, dass er später eine Erklärung für ihre Begegnung mit diesem seltsamen Mann erwartete. Sie steckte einen Finger in den Kakao und leckte ihn ab. »Warum sind Sie denn kein Krimineller mehr?«
    Dieses Wort ging ihm langsam auf die Nerven, aber er hatte bestimmt nicht vor, sie über die Details seiner Tätigkeit aufzuklären.
    »Zum Teil weil ich’s mir finanziell erlauben kann, zum Teil, um dir eines Tages sagen zu können, dass ich dieses Kapitel endgültig abgeschlossen habe.«
    Sie lächelte – und es war das erste wahrhaftige Lächeln, seit sie sich gesetzt hatten. »Sie haben an mich gedacht?«
    »Anfangs nicht. Aber in den letzten vier, fünf Jahren mehr und mehr – eigentlich immer, wenn ich ein Kind in deinem Alter sah. Ich habe nie ein Foto von dir gesehen, kannte nicht einmal deinen Namen. Ich war schon mal im letzten Sommer hier, aber …«
    »Sie hat mir erzählt, dass Sie hier waren. Wir hatten deswegen einen Krach.« Nach kurzer Überlegung fügte sie hinzu: »Aber nichts Ernstes.«
    Er lächelte und war dankbar, dass sie sich seinetwegen mit Madeleine gestritten hatte – selbst wenn sie die Konfrontation jetzt herunterspielte.
    »Du siehst genau aus wie sie. Ich hatte mir schon Sorgen gemacht, dass ich dich nicht erkennen würde, aber ich wusste es sofort. Von den kurzen Haaren abgesehen, könntest du ihre Doppelgängerin sein.«
    »Ich habe blaue Augen, so wie Sie.« Sie hatte die Worte gerade ausgesprochen, als sie über ihre Schulter sah. »Entschuldigen Sie mich.« Sie stand auf und wirkte leicht nervös.
    Lucas drehte sich auf seinem Stuhl und verfolgte, wie sie am Eingang des Cafés einen Jungen abfing. Er sah wie einer der Jungs aus, die er schon im letzten Sommer gesehen hatte, war sich aber nicht sicher.
    Isabelle drehte Lucas den Rücken zu und redete auf den Jungen ein, der provozierend über ihre Schulter blickte, um sich Lucas genau anzusehen. Er fragte sich, ob er der Junge war, auf den sie gewartet hatte, und was sie ihm wohl gerade zu sagen hatte.
    Als sie zurückkam, murmelte sie: »Tut mir leid.«
    »War er derjenige, auf den du gewartet hast?«
    »Ja. Und nein: ist er nicht. Wir sind nur Freunde.«
    Bei ihrer Unsicherheit musste er lächeln. Sie schwiegen eine
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