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Das Fluestern des Todes

Das Fluestern des Todes

Titel: Das Fluestern des Todes
Autoren: Kevin Wignall
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Richtung schaute, aus der die beiden Männer gekommen waren. Und die Art und Weise, wie er sich schützend vor sie gestellt hatte, machte es durchaus plausibel, dass er wirklich ein Bodyguard war.
    Sie mochte aber noch immer nicht glauben, dass die beiden Männer tatsächlich tot waren. Und dass Lucas, nachdem sie bereits am Boden lagen, einem der beiden kaltblütig in den Kopf geschossen hatte. Das war keine Notwehr, sondern eine Hinrichtung. Und sie konnte sich noch immer nicht vorstellen, dass sie selbst das Zentrum dieses Wahnsinns sein sollte, dass man sie beschützen musste, dass es Menschen gab, die sie kidnappen wollten.
    Warum sie? Sie waren nicht reich. Sicher, sie führten ein komfortables Leben, aber ihr Vater war kaum ein Kandidat für die Liste der reichsten Männer Englands. Was bedeutete, dass es mindestens tausend Leute gab, die reicher waren als er, tausend Leute, deren Kinder oder Enkel sich eher als Opfer einer Entführung anboten. Warum also ausgerechnet sie?
    »Sind Sie mir auch im letzten Jahr in Thailand gefolgt?«
    »Nein.«
    »Vielleicht jemand anders?«
    »Weiß ich nicht.«
    Chris drehte sich zu ihm und sagte: »Und auf dem College?« Die Frage ärgerte sie, weil es so klang, als wäre Chris mehr um eine mögliche Verletzung seiner Privatsphäre als um ihre Sicherheit besorgt. Vielleicht hatte er ja recht, sich auch darüber Gedanken zu machen, aber trotzdem empfand sie seine Frage als unpassend.
    »Ich weiß es nicht«, sagte Lucas und klang, als wäre er überfordert. »Man hat mir nur gesagt, hier in Europa ein Auge auf Ella zu werfen. Das ist alles.«
    Er bremste ab und hielt an einem Telefonhäuschen. Auf der gegenüberliegenden Seite war ein kleiner Supermarkt, 50 Meter weiter eine Autowerkstatt, die unter dem dunklen Himmel wie eine Theaterbühne erleuchtet war.
    »Bleibt im Auto.« Er stieg aus und ging zum Telefonhäuschen. Sie konnten nicht hören, was er sagte, sahen aber, dass er sie ständig im Auge behielt.
    »Er hat die Schlüssel mitgenommen«, sagte Chris. »Für jemanden, der angeblich auf unserer Seite ist, nicht gerade ein Vertrauensbeweis.«
    »Sieh mal im Handschuhfach nach.«
    »Warum?«
    »Weiß ich doch nicht. Vielleicht liegt da sein Pass drin oder so.« Chris griff unauffällig hinein, konnte aber nichts finden.
    »Ein Mietwagen.«
    Ein Motorroller brauste von hinten heran. Das schrille Geräusch schien aus dem Nichts zu kommen und ließ Ella zusammenzucken. Der Roller mit zwei gut aussehenden italienischen Jungs sauste vorbei, und der Wind in ihren Haaren und Hemden gab ihnen das Flair von Freiheit und Unbekümmertheit.
    Der Junge auf dem Rücksitz lachte und hatte kurz seinen Kopf gedreht, als sie das Auto passierten. Für den Bruchteil einer Sekunde hatte Ella das Gefühl, als hätte er sie angeschaut, als wäre sein Lächeln für sie bestimmt, als hätten seine Augen mit ihr geflirtet.
    Aber schon waren sie wieder verschwunden, und sie empfand so etwas wie Neid – Neid auf ihre Sorglosigkeit, Neid auf die endlose Straße vor ihnen, Neid auf die schöne Nacht, die ihr vor einer halben Stunde genommen worden war. Vielleicht hätte sie die Zeit mehr genossen, wenn sie gewusst hätte, wie abrupt sie an ein Ende kommen würde.
    »Ich muss meinen Vater anrufen. Hast du dein Handy dabei?«
    »Ja.« Er reichte es ihr nach hinten. Sie hielt es nahe am Fenster, um im Licht der Straßenbeleuchtung das Display sehen zu können. Doch bevor sie zu wählen anfangen konnte, sah sie, dass Lucas es bemerkt hatte und sein Gespräch offensichtlich überstürzt beendete. Wenige Sekunden später war er am Auto und riss die Tür auf.
    »Mach das aus!«
    »Ich wollte meinen Vater anrufen.«
    »Aber nicht mit dem Handy. Stell’s ab. Ich werde deinen Vater anrufen, wenn wir in Florenz sind.« Sie deaktivierte das Handy und reichte es Chris zurück. Lucas hatte sich wieder hinters Lenkrad geschwungen. Er schaute sie beide an. »Eure Handys bleiben ausgeschaltet. Kommt gar nicht erst auf die Idee, jemanden anzurufen, und untersteht euch, Kreditkarten zu benutzen – und alles andere, was eure Identität und euren Standort verraten könnte. Das gilt so lange, bis wir wissen, was hier vor sich geht.«
    »Was ist mit Ihnen?«, sagte Chris. »Wen haben Sie denn angerufen?«
    »Das Hotel in Florenz.« Er ließ den Motor an und rollte auf die Straße zurück. »Wir haben Hochsaison, da sollte man besser reservieren.« Sie reagierten nicht, und einen Augenblick später meldete er sich erneut
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