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Das Flüstern der Stille

Das Flüstern der Stille

Titel: Das Flüstern der Stille
Autoren: Ivonne Senn Heather Gudenkauf
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Tortur, mit Anwälten, die Fragen stellten, und Reportern, die Fragen stellten, und Freunden und Nachbarn, die Fragen stellten. Ich glaube, der Staatsanwalt hatte Angst, dass ich wieder aufhören könnte zu sprechen; er hat während des Prozesses jeden Abend bei uns angerufen, um mit mir zu reden, nur um ganz sicher zu sein. Lucky wurde in allen Punkten schuldig gesprochen – Entführung, versuchter Mord und sexueller Missbrauch. Das einzig halbwegs Lustige an der Sache war die alte schwarze Krähe, die Lucky gestreift hatte, als er sich mich auch schnappen wollte, und die ihn über den Abgrund geschubst hat. Er ist ungefähr fünfzehn Meter in die Tiefe gefallen, hat sich ein Bein und das Schlüsselbein gebrochen. Sie haben ihn erst am nächsten Nachmittag gefunden. Soweit ich weiß, sitzt er noch im Gefängnis und wird wohl auch für immer da bleiben. Es konnte nie bewiesen werden, dass Lucky auch etwas mit Jenna McIntires Tod zu tun hatte.
    Petra und ich schreiben uns immer noch Briefe. Sie lebt in einem anderen Staat; ihr Vater ist in Rente gegangen. Sie wohnen jetzt auf einer Ranch, deren Land sie verpachten, aber sie haben ein paar Tiere. Lämmer, Hühner, ein Schwein, einige Hunde. Petra hat mich ein oder zwei Mal eingeladen, sie zu besuchen, aber irgendwie hat es nie geklappt. Sie will nicht zurück nach Willow Creek kommen, was ich verstehen kann.
    Mein Bruder ist dieses Jahr achtzehn geworden und hat hart gearbeitet und fürs College gespart. Er wird im Herbst wegziehen, und meine Mutter und ich weinen jetzt schon deswegen. Er ist kräftig und groß und sieht genauso aus wie mein Vater, aber sanfter, wenn Sie verstehen, was ich meine. Er will Polizist werden, und das wird er gut machen, glaube ich. Ich weiß allerdings nicht, was ich tun soll, wenn er fort ist. Viele meiner Freunde können es kaum erwarten, dass ihre älteren Geschwister endlich ausziehen, aber mit Ben und mir ist das anders. Es macht mich so traurig, daran zu denken, dass er fortgehen wird, dass ich es einfach nicht tue.
    Louis ist immer noch Deputy Sheriff, aber meine Mom und Ben denken, dass er sich nächstes Jahr als Sheriff zur Wahl stellen sollte, wenn der alte Sheriff endlich in Rente geht. Louis kommt oft zum Abendessen zu uns und hat auch alle von Bens Football-Spielen während der Highschool besucht. Ben und Louis stehen sich sehr nahe, und ich bin sicher, dass Ben aus diesem Grund Polizist werden will. Ich frage mich manchmal, ob aus meiner Mutter und Louis irgendwann ein Paar wird. Ich weiß, dass er vor einer Weile geschieden wurde, und ich denke, es ist an der Zeit, dass meine Mutter auch mal ein bisschen Spaß hat und an sich denkt. Ich habe sie vor ein paar Tagen gefragt, warum sie und Louis nicht einfach heiraten, es ist so offensichtlich, dass sie sich lieben. Ihr Gesicht wurde ganz traurig, und sie sagte, es sei so kompliziert, und so habe ich das Thema fallen lassen. Zumindest für den Augenblick. Sie hat immer noch diese fürchterlichen Albträume. Ich kann sie in ihrem Schlafzimmer schreien hören, und mehr als einmal habe ich gesehen, wie sie in unsere Zimmer gespäht, nach mir, nach Ben geschaut hat.
    Louis’ zehnjähriger Sohn Tanner kommt an den meisten Wochenenden und auch während der Ferien nach Willow Creek. Seine Mutter, Louis’ Exfrau, ist nach Cedar Rapids gezogen, ungefähr eine Stunde von hier entfernt. Tanner ist ein drolliger kleiner Kerl, sehr still mit ernsten Augen. Louis ist verrückt nach ihm und wird immer ganz traurig und depressiv, wenn er ihn zurück nach Cedar Rapids bringen muss.
    Ich rede immer noch nicht viel, und das macht meiner Mutter Angst. Es können Tage vergehen, an denen ich kein einziges Wort sage. Es ist nicht so, dass ich die Leute ignoriere oder mich weigere, ihnen zu antworten, aber ich bin einfach gern still. Manchmal sehe ich diesen besorgten Ausdruck im Gesicht meiner Mutter, der mich erkennen lässt, dass sie fürchtet, ich sei wieder stumm geworden. Sobald ich das sehe, gehe ich sofort zu ihr und spreche mit ihr. Sie fühlt sich dann besser. Meine Mom hat einen Job im Krankenhaus angenommen, wo sie als Pflegekraft arbeitet. Sie kümmert sich um alte Leute, wechselt ihre Bettwäsche, hilft ihnen beim Essen, badet sie, unterstützt die Krankenschwestern. Nicht der glamouröseste Job, sagt sie. Aber sie kommt jeden Tag nach Hause und erzählt uns Geschichten darüber, wer was getan oder gesagt hat. Sie beschwert sich über die mürrischen und die peniblen Patienten, aber
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